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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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Erkenntnis, dass die Strukturen der subatomaren Welt wohldefinierten mathematischen Korrelationen gehorchen, begannen die modernen Physiker genau den umgekehrten Weg zu gehen. Sie stellten die mathematischen Symmetrieprinzipien an den Anfang unter der Annahme, dass die Naturgesetze und damit auch alle Bausteine von Materie bestimmten Mustern folgen müssten, und leiteten aus dieser Forderung allgemeine Gesetze her. Woher weiß die Natur, dass sie diesen abstrakten mathematischen Symmetrien zu gehorchen hat?
    Im Jahr 1975 spielte Mitch Feigenbaum, ein junger mathematischer Physiker am Los Alamos National Laboratory, mit seinem Taschenrechner (Marke HP-65). Er untersuchte das Verhalten einer einfachen Gleichung. Dabei fiel ihm auf, dass sich das Ergebnis einer Rechenfolge, die sich bei seinen Betrachtungen immer wieder ergab, einer bestimmten Zahl mehr und mehr annäherte: 4,669 … Zu seinem Erstaunen tauchte, wenn er andere, ähnlich strukturierte Gleichungen untersuchte, exakt diese Zahl wieder auf. Auch wenn er keine Erklärung dafür hatte, zog Feigenbaum daraus prompt den Schluss, dass diese Zahl eine Universalie darstellen müsse, die irgendwie den Übergang von Ordnung zu Chaos beschreibt. Es verwundert nicht, dass die physikalische Forschergemeinde darauf zunächst einigermaßen skeptisch reagierte. Warum schließlich sollte ein und dieselbe Zahl das Verhalten von offenkundig höchst unterschiedlichen Systemen beschreiben? Nach sechsmonatiger Begutachtung durch Angehörige der Fachwelt wurde Feigenbaums erster Artikel zu diesem Thema abgelehnt. Nur wenig später hat sich allerdings in Experimenten herausgestellt, dass flüssiges Helium, das von unten erhitzt wird, sich genau in der von Feigenbaums Universallösung vorhergesagten Weise verhält. Und das war nicht das einzige System, das diesem Muster gehorchte. Feigenbaums magische Zahl tauchte bei jedem Übergang vom geregelten Fluss einer Flüssigkeit zur Turbulenz auf, sogar bei Wasser, das aus einem Hahn tropft.
    Die Liste solcher Gelegenheiten, bei denen Mathematiker die Bedürfnisse künftiger Generationen auf den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen sozusagen «vorwegnahmen», ließe sich beliebig fortführen. Eines der faszinierendsten Beispiele für das geheimnisvolle und sehr oft völlig unerwartete Wechselspiel zwischen der Mathematik und der realen physikalischen Welt bietet die Geschichte der
Knotentheorie –
der mathematischen Betrachtung von Knoten. Ein mathematischer Knoten ähnelt einem ganz normalen Knoten in einer Schnur, bei der die Schnurenden nahtlos ineinander übergehen. Das heißt, der mathematische Knoten ist eine geschlossene Kurve ohne lose Enden. Seltsamerweise leitete sich der Hauptbeweggrund für die Entwicklung der mathematischen Knotentheorie aus einem inkorrekten Atommodell her, das im 19. Jahrhundert aufgestellt wurde. Nachdem man das Modell – nur zwei Jahrzehnte nachdem es ersonnen worden war – aufgegeben hatte, entwickelte sich die Knotentheorie zu einem relativ orchideenhaften Zweig der reinen Mathematik weiter. Erstaunlicherweise fand dieses abstrakte Unterfangen plötzlich breite Anwendung in der modernen Wissenschaft – auf Gebieten wie der Molekularstruktur von DNA bis hin zur Stringtheorie, dem Versuch, die subatomare Welt mit der Gravitationstheorie zu versöhnen. Ich werde auf diese bemerkenswerte Angelegenheit in Kapitel 8 zurückkommen, denn sie illustriert vielleicht am eindrücklichsten, wie sich aus dem Versuch, die physikalische Realität zu erklären, neue Zweige der Mathematik ergeben können und wie diese sich dann in den abstrakten Sphären der Mathematik zu verlieren scheinen, nur um schließlich völlig unerwartet zu ihren Ursprüngen zurückzukehren.
Entdeckt oder erfunden?
    Schon der kurze Abriss, den ich bisher gegeben habe, zeugt in höchst eindrucksvoller Weise von einem Universum, das entweder von Mathematik gelenkt wird oder zumindest der Analyse durch die Mathematik zugänglich ist. Wie dieses Buch zeigen wird, scheint vieles, vielleicht sogar alles, was der Mensch anpackt, einer innerenmathematischen Choreographie zu gehorchen, sogar dort, wo man es am wenigsten erwartet. Betrachten Sie zum Beispiel eine Gegebenheit aus der Welt der Finanzen – das Black-Scholes-Modell zur Bewertung von Finanzoptionen (1973). Das Black-Scholes-Modell brachte seinen Schöpfern (Myron Scholes und Robert Carhart Merton) den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ein (Fischer Black verstarb,

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