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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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Prolog: Chatroom
    Der Raum war ihm vertraut, obwohl er ihn noch nie betreten hatte. Für einen Moment hatte Miriam ihn verlassen, um sich eine Cola zu holen. Die Tür, die womöglich in einen Flur führte, stand einen Spaltbreit offen. Links von ihr befanden sich an der hell gestrichenen Tapete zwei Farbfotos, doch obwohl sie ein recht großes Format hatten, erkannte man den Inhalt kaum: Man ahnte eine mit roten Flecken bedeckte weiße Wand unter einem schrägen Dach und davor, aber das war schon ganz unsicher, Menschen in weißen Hemden, die etwas spielten oder vortrugen. Und auch die Hinterköpfe von Zuschauern waren vielleicht zu sehen. Trotzdem wusste Stephan Hagner, worum es sich handelte, weil er Miriam gefragt hatte: Die Aufnahmen stammten aus der Zeit ihres Freiwilligen Sozialen Jahres in Mittelamerika.
    Unterhalb der Fotos, ebenfalls nur angeschnitten sichtbar, stand eine Kommode mit einer Blattpflanze obenauf. Außer der Lehne eines Drehstuhls war das alles, was Hagner von dem Zimmer zu sehen bekam.
    Er wandte den Kopf nach links, zum Fenster. Große Tropfen schlugen gegen das Glas und vereinigten sich beim Ablaufen zu Rinnsalen. Seit Tagen regnete es fast ununterbrochen in der gesamten Nordwestschweiz, herbstlich, kalt und für Mitte Oktober etwas zu früh.
    Vor dem Fenster war es dunkel. Hagner schaute auf die Uhr am rechten unteren Rand seines Monitors: 21:56. Seit mehr als zwei Stunden war er zu Hause.
    Wie üblich hatte er seinen Arbeitsplatz im Hauptlabor von Novartis gegen sechs verlassen, hatte 18 Minuten später an der Station Hüningerstraße die 11 bestiegen und war dann in Richtung Innenstadt gefahren, so wie an jedem Arbeitstag. Und wie stets musste er auf die Tramlinie 10 umsteigen, wobei er sich, um für ein wenig Abwechslung zu sorgen, täglich exakt zwischen Universitätsspital und Schiffländle entschied, wo er correspondance machen würde: Bankverein, Aeschenplatz, Basel SBB oder – das war die letzte Gelegenheit – am Dreispitz.
    Heute war er bis zum Dreispitz sitzen geblieben. Bei diesem Wetter war das ein Fehler gewesen, denn der Wind pfiff dort mächtig, vor allem durch die Münchensteinerstraße, auf der die stadtauswärts fahrenden Autos unaufhörlich lärmten. Hagner hatte sich zwar untergestellt, war aber trotzdem vom peitschenden Regen ziemlich gebeutelt worden.
    Er schaute wieder auf den Bildschirm und stellte fest, dass Miriam noch nicht zurück war. 21:58. In zwei Minuten würden die Glocken des Arlesheimer Doms zu läuten beginnen. Vermutlich hatte Miriam nicht nur eine Cola holen, sondern auch austreten wollen.
    Doch da kam sie. Wie es aussah, stieß sie die Tür mit dem Fuß auf, denn beide Hände waren blockiert, die rechte mit der Colaflasche und die linke mit einer Chipstüte. Miriams Webcam machte keine besonders guten Aufnahmen, sodass Stephan die Colasorte nicht erkennen konnte, aber die Chips waren Pringles und es gab sie auch im Supermarkt von Arles-heim, seinem Heimatdorf, wo er noch im Haus der Eltern lebte.
    Miriam setzte sich, lächelte ihn an und tippte einen Satz, der auf seinem Bildschirm erschien: Habe Besuch bekommen. Ohne dass er einen bestimmten Grund hätte angeben können, hatten sie sich für diese Form der Kommunikation entschieden bzw. hatte sich diese Form zwischen ihnen von Anfang an so ergeben, per Text und Bild, obwohl zumindest von seiner Seite auch Tonsprache möglich gewesen wäre. Sie aber wollte nicht skypen, beziehungsweise nur halb, mit Bild, aber ohne Ton. Das war eine ihrer Eigenarten, oder genauer gesagt, die einzige, die er bisher an ihr wahrgenommen hatte. Sie kannten sich aber auch erst seit einem Monat.
    M oder w?, fragte Stephan. Das konnte er wagen, so vertraut waren sie dennoch.
    Miriam drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger, dann schickte sie sich an, die Antwort zu tippen. Doch in diesem Augenblick sah Stephan bereits, dass jemand in der Tür erschien.
    Sofort klopfte sein Herz bis zum Hals, denn dieser Jemand, den er für einen Mann hielt, trug nicht nur schwarze Kleidung, sondern auch eine schwarze Maske. Eine Skimaske? Oder eine Strickmütze, in die er Öffnungen für Augen und Mund geschnitten hatte? Man konnte es nicht genau erkennen.
    Warum eine Maske? War das ein Scherz? Denn Miriam schien ihn doch zu kennen? Sie sprach jedenfalls, und auch wenn es aussah, als wären ihre Worte an Stephan gerichtet, konnte doch nur der Maskierte gemeint sein. Der gerade einen Gegenstand in die Höhe hob.
    Stephan beugte sich vor, kniff

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