Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
Schmerz des einen durch all die Schichten von Selbstverleugnung, Kompensation, Verdrängung durchbricht und kaum auszuhalten ist. Und dann den Moment, da die Schuld des andern den ganzen Raum ausfüllt. Das sind Augenblicke, wo mir der Atem wegbleibt, wo mir die Tränen kommen, wo mein Herz sich zusammenkrampft und wo ich meine Ohnmacht spüre, dem Schuldigen die Verantwortung abzunehmen. Er muss sie aushalten. Meistens hat sie eben leider einen ganzen Rattenschwanz an weiterer Schuld nach sich gezogen.
Nehmen wir Maria und Ralf. Ihr erinnert euch: die Meerjungfrau und Hans im Glück. Er betrog sie in diesem sensiblen Zeitraum von einem Jahr nach dem Kennenlernen. Wo es noch keinen Boden gibt. Wo die Phase der Verliebtheit für sie noch nicht abgeschlossen war. Und wo sie aus der Verliebtheit heraus bereit war zu verzeihen. Wo sie noch glaubte, er werde jetzt alles daran setzen, dass sie ihm wieder vertrauen kann. Wo sie bereit war, all die Verletzungen, die in dem Zusammenhang geschehen waren, die ihr weibliches
Selbstwertgefühl betrafen, ihre Attraktivität, ihr Frausein, wegzustecken, zu vergessen, nur um bei ihm bleiben zu können.
Wo er sich aber nach einer kurzen Werbephase, die schön war wie am Anfang, von ihr vollkommen zurückzog. Sie nicht tröstete, wenn sie weinte. Nicht mit ihr schlief. Sie nicht streichelte, nicht küsste, nicht berührte. Sie mied, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Und wo sie immer noch blieb. Immer noch hoffte. Immer noch versuchte, ihn zu verstehen. Sein Schuldgefühl. Seine Scham. Die ihn hinderten, so meinte sie, für sie da zu sein. Wo er begann, Wutanfälle zu zeigen, wenn sie ihn mit ihren Sehnsüchten nach Nähe, nach Begehrtwerden, nach Heilung konfrontierte. Wenn sie ihm ihren Schmerz zeigte. Wo sie immer trockener wurde, immer ungenährter, immer trauriger. Sie machte eine fatale Veränderung durch. Sie verlor sich selbst als Frau. Gleichzeitig wurde ihre Beziehung immer enger.
Als Ralf dem ins Auge blicken musste, was er Maria angetan hatte, wollte er zuerst wieder genauso flüchten, wie er es seit Jahren tat: aufstehen, fortgehen, laut werden, Türen schlagen, abwehren, sie abweisen, sie für ihren Schmerz schuldig machen. Dann hielt er stand. Das war der Augenblick, als seine Schuld den Raum so füllte, dass mir die Luft weg blieb.
Er fragte: Was kann ich tun? Aber er konnte zuerst nichts weiter tun, als sich selbst im Spiegel zu betrachten. Als jemand, der seine Partnerin als Frau fast vernichtet hatte, so sehr hatte er sie hungern lassen.
Er beschäftigte sich mit seiner eigenen Angst vor Vernichtung durch eine geliebte Frau. Er beschäftigte sich mit seiner Weigerung, vom Jungen, dem Hans im Glück, der leichtfertig eins hergibt für ein anderes, das ihn gerade reizt, zu einem Mann zu werden, der gewichten, würdigen und schützen kann. Er beschäftigte sich mit all den Mechanismen, wie er sich in seinem bisherigen Leben davor geschützt
hatte, sich wirklich einer Frau ganz und gar in Liebe zu verbinden. Er beschäftigte sich damit, wie schwer es ihm fiel, zu geben, zu verwöhnen, Geschenke zu machen, seiner Partnerin seine Liebe zu zeigen. Wie wichtig es für ihn war, sich nicht ganz zu geben.
Er setzte sich damit auseinander, dass er sein Begehren, seine Zärtlichkeit, seine Gefühle für sie auch in sich selbst nicht genährt hatte. Dass er die Strategie entwickelt hatte, Aufmerksamkeit von ihr als Frau abzuziehen und sie auf anderes zu lenken, auch auf andere Frauen. Dann fühlte er sich sicherer.
Er verpflichtete sich, dafür zu sorgen, dass sie als Frau wieder aufblühen konnte. Er sagte: Ich sehe mich jetzt als Gärtner, der eine wertvolle Blume durch mangelnde Pflege, durch Drauftrampeln und durch das übermäßige Pflegen anderer Pflanzen fast schon verloren hat. Jetzt werde ich diese Blume aufpäppeln.
Er setzte eine schriftliche Verpflichtung auf, Maria zu trösten und ihren Schmerz auszuhalten, wenn sie weinen musste. Er bat sie um eine Liste ihrer Bedürfnisse und verpflichtete sich, ihnen in seinem Leben Priorität einzuräumen. Er stand in meinem Praxisraum mit dem Rücken zur Wand, Tränen in den Augen, und sagte: Ich habe Angst, sie zu verlieren. Alles andere ist nicht so wichtig in meinem Leben. Nur das. Die beiden setzten einen Vertrag auf, was zu tun war, damit sie als Frau wieder gesunden konnte und damit er auf diese Weise seine Schuld abtragen konnte.
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