Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

Fällen blicke ich von einer höheren Warte auf einen bestimmten Zeitraum, einen bestimmten Menschen, eine Beziehung. Ich sehe den Menschen in seiner Gesamtheit und in seinem Wert für mich, für andere, für die Menschheit. Ich würdige eine Beziehung in ihrer gesamten Qualität, relativiere Streits, Schwächen und erkenne auch daran aus einer höheren Warte das Positive, Vorwärtstreibende, Wachstumsfördernde. Ich würdige das Gute und das Schlechte.
    Besonders runde Geburtstage werden gefeiert, weil dann der gesamte Abschnitt des Lebens noch einmal betrachtet wird – und der Wert geschätzt. Viele Menschen laden zu diesen runden Geburtstagen Menschen ein, die schon lange nicht mehr zu ihrem Leben gehören, die aber zu der ganzen runden Zeit gehören. Und manchmal gehören sie auch anschließend wieder dazu.
    Ich selbst habe große Probleme damit, meine Geburtstage zu feiern, und besonders die runden. Es ist mir peinlich, in großer Runde gewürdigt zu werden. So viel Aufmerksamkeit halte ich nicht gut aus. Wenn allerdings die wenigen Menschen, mit denen ich feiere, dass ich geboren bin, sich damit wenig Mühe geben, wenig Aufmerksamkeit auf mich richten, fühle ich mich sehr verlassen. Zum Glück ist mir das erst zweimal im Leben passiert. Das allerdings werde ich nie vergessen.
    Paare, die zusammenleben, versinken oft im Alltag. Arbeit, Kinder, Wohnen, Freunde, Garten, Auto, was da nicht alles ist. Die Aufmerksamkeit kommt zu kurz. Beschenken, Verwöhnen, Würdigen kommt zu kurz. Es ist außerordentlich wichtig, Highlights in das dahindümpelnde Leben zu organisieren. Morgens zur Arbeit, abends zurück. Kochen, essen, waschen, bügeln, aufräumen, putzen, die Kinder zum Kindergarten und ins Bett bringen, all das sind durchaus wichtige Tätigkeiten, die auf befriedigende Weise erledigt werden können, aber es reicht nicht aus für eine glückliche Partnerschaft.
    Kleine Feste: ins Kino gehen, ins Theater, ins Museum. Freunde einladen und ein Fest machen, ohne Anlass. Im Verlauf des Tages Ausschau halten nach einem kleinen Geschenk für den Liebsten oder die Liebste. Ohne Grund, einfach nur, um eine Freude zu machen. Um aus dem immergleichen Ablauf heraus zu signalisieren: Hey, du bist mir wichtig. Ich denke an dich. Ich will dir eine Freude machen. Ich will dir zeigen, dass du mir etwas wert bist.
    Ich habe meinem Partner Weihnachten 2005 einen Kalender geschenkt, in dem für jeden Monat ein besonderes Fest für ihn gutgeschrieben war. So wurde er allmonatlich mit einem besonderen Ritual gefeiert. Seit Ende 2006 vermisse ich diese intensiven Zweisamkeitsbegegnungen. Und ich bedaure, dass dafür ein Weihnachtskalender notwendig war.
    Es gibt Paare, die feiern nur ihren Hochzeitstag, und den auch noch auf eine stereotype Weise: Er besorgt einen großen Rosenstrauß als Geschenk und sie ihm eine Krawatte. Dann gehen sie bestenfalls essen und unterhalten sich über die Arbeit.
    Entschuldigung. Es gibt Paare, die machen genau das Gleiche, und es ist wundervoll: Er schenkt ihr einen großen Rosenstrauß, weil er ihr damals schon einen geschenkt hat, die gleiche Farbe, die gleiche Zahl Blumen. Sie überreicht ihm eine Krawatte, in Blau, das war die Farbe seiner Hochzeitskrawatte, vielleicht hat er davon schon zwanzig im Schrank hängen, sie kauft sie immer im gleichen Geschäft (und vielleicht haben sie auch ein Abkommen mit dem Geschäft geschlossen, dass er sie am nächsten Tag zurückbringen und umtauschen darf – in eine sexy Unterhose?), sie gehen in das Restaurant, wo er ihr damals einen Antrag gemacht hat. Und dann: Sie sprechen über alles Mögliche, auch über die Arbeit, wenn sie ihnen grade auf der Seele liegt, aber sie sprechen auch über sich. Über ihr letztes Jahr. Über den Wert, den der andere für sie hat. Darüber, wie wundervoll es ist, dass sie geheiratet haben. Vielleicht sprechen sie auch über das nächste Jahr und was jeder geändert haben möchte. Über die Wünsche, die jeder an den andern hat.
    Was ist der Unterschied? Der Unterschied ist, dass sie einander feiern. Dass sie Aufmerksamkeit darauf richten. Dass sie sich etwas denken. Dass es für sie einen Sinn hat. Dass sie es nicht einfach so machen, ohne besondere Wertschätzung, ohne Achtung, ohne die eigenen Gefühle und die eigene Energie zu schenken.
    Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, einander zu feiern und zu würdigen. Den Wert, den der andere und die Beziehung für mich hat, zu schätzen und ein Geschenk auf die andere Seite