Italienische Märchen
regieren, die Schuld aber soll Buße tun. Ich bleibe hier bei dem alten Schäfer und büße ewiglich.« Da setzte er seine Krone auf das Haupt des Ursulus, und Ursula setzte ihre Krone auf das Haupt der Fräulein Neuntöter, welche auch Ursula hieß, und sprach: »Auch ich will hierbleiben und beten.« Darüber ward das Herz des armen Jerums so gerührt, daß es mitten entzweisprang und Jerum starb. O, da war Weinen und Wehklagen. Und sie begruben ihn zu Füßen eines Kreuzes bei dem Brunnen, und Ursula sang, und aus allen Gräbern der Jungfräulein sang es mit.
Ursula blieb nun da bei dem alten Schäfer wohnen und nahm viele Witwen und Waisen zu sich und sie arbeiteten für die Armut und beteten und sangen. Fanferlieschen segnete sie, und Ursulus und seine Frau trennten sich weinend von ihr und zogen nach der Stadt Besserdich. Der Herr von Neuntöter und seine Frau und sein Sohn aber regierten das Ländchen Bärwalde für Ursula. Als Fanferlieschen wegritt, ging sie auf den alten Schäfer zu und sprach zu ihm: »Dämon, kennst du mich noch? Wir sind beide alt geworden.«
»Ja«, sagte der Schäfer, »ich kenne dich noch; als du die Lämmer hütetest neben mir, da liebte ich dich und sagte dir es. Da sprachst du:
Lieber guter Schäfer mein,
Schön wärs wohl, doch kanns nicht sein,
Ich bin nur ein guter Geist,
Der so durch das Leben reist.
Liebe Gott, das ist gescheiter! –
Also sprachst du, und zogst weiter.«
»Richtig«, sagte Fanferlieschen, »so war es, und du hast meinem Rat gefolgt, drum werd ich dich im Himmel wiedersehen.« Da sank der Schäfer tot an die Erde, und Fanferlieschen flog durch die Lüfte davon und ließ ihre Pantoffeln niederfallen. Die fing die Gemahlin des Ursulus auf und war gleich so schön und lieb und klug als Fanferlieschen. Sie kamen nach Besserdich und regieren gut bis dato.
Das Märchen von dem Schulmeister Klopfstock und seinen fünf Söhnen
Es war einmal ein Mann, der hieß Klopfstock und hatte fünf Söhne: der erste hieß Gripsgraps, der zweite hieß Pitschpatsch, der dritte hieß Piffpaff, der vierte hieß Pinkepank, der fünfte hieß Trilltrall.
Der gute Klopfstock hatte seine Söhne sehr lieb und wollte sie gerne etwas Rechts lernen lassen; aber bei ihm war Not in allen Ecken, das Dorf, wo er Schulmeister war, war abgebrannt und die Schule auch, und die Bauern auch, und die Schuljungen auch; er war mit seinen fünf Söhnen allein übriggeblieben.
Er setzte sich also auf einen Stein mitten in dem abgebrannten Dorf, und seine fünf Söhne traten um ihn her, und er sprach zu ihnen: »Herzliebe Jungen! ich bin plötzlich ein armer Mann geworden, und so gern ich euch auch zu gelehrten Leuten aufziehen wollte, fehlen mir doch alle Mittel dazu; denn erstens kann ein leerer Magen nicht viel Gelehrtes sagen, und zweitens sind mir alle meine ABC-Bücher in der Schule verbrannt. Ich muß euch daher in alle Welt schicken, daß ihr euch selbst etwas versucht; ihr seid schon große Bursche und müßt sehen, wo ihr Herrn findet, denen ihr dienen und bei denen ihr etwas lernen könnt. So lebet denn wohl, ein jeder folge seinem Beruf, und nach einem Jahr besucht mich wieder, da will ich euch examinieren, ob ihr etwas gelernt habt. Bis dahin will ich sehen, ob ich aus dem herumliegenden Holz mir wieder eine Hütte zusammengebaut habe, damit ich euch beherbergen kann.« Da sagten die Söhne: »Wir wollen treulich tun, was du uns befohlen; aber du hast gesprochen: ›Ein jeder folge seinem Beruf‹ – was ist dann nun der Beruf?« Da wußte der Schulmeister nicht gleich, was er sagen sollte, was Beruf sei, und rieb sich lange die Stirn. Endlich sagte er: »Beruf kommt her von rufen: was euch ruft, das ist euer Beruf.« Da fragten die Söhne wieder: »Aber, Vater! was ruft uns dann?« und der Schulmeister sagte: »Euer Name ruft euch.« Da sagten die Söhne wieder: »Ihr, Vater, heißt Klopfstock, Euer Name ist Klopfstock, was ist nun Euer Beruf?« Da wurde der Vater ungeduldig und sagte: »Ein Narr kann mehr fragen, als zehn gelehrte Leute beantworten können; ja, mein Name ist Klopfstock, und mein Beruf ist Klopfstock, nämlich ich soll so dumme Narren mit dem Stocke recht ausklopfen« – und da nahm er seinen Stock und wollte seinen Söhnen einen Denkzettel mitgeben; aber sie nahmen die Beine auf die Schultern und liefen, so schnell sie konnten, davon.
Als sie ein Stück Wegs zurückgelegt hatten, war es Abend, und sie legten sich in einem Walde nieder und redeten davon, was doch
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