Ivanhoe
fürchtete den Kampf.«
»Reginald Front-de-Boeuf! denk an deine Sünden! Aufruhr, Raub und Mord! Wer hat den ausschweifenden Johann gegen seinen Vater aufgehetzt? und gegen seinen hochherzigen Bruder?«
»Ob du nun ein böser Geist bist, ein Priester oder ein Teufel,« entgegnete Front-de-Boeuf, »du lügst in deinen Hals hinein. – Nicht ich wars, der Johann zum Aufruhr anstachelte, nicht ich allein! Fünfzig Ritter und Barone, die vornehmsten unter den Grafen des Südens – und soll ich allein büßen für die Schuld der Fünfzig? Hebe dich hinweg, teuflischer Geist, und laß mich in Frieden sterben!«
»Du sollst nicht sterben in Frieden,« antwortete die Stimme. »Noch im Todeskampfe sollst du an deine Mordtaten denken – an die Seufzer und das Gestöhn, das in diesen Gewölben widerhallte, an das Blut, das über diesen Fußboden geflossen ist.«
»Deine kleinliche Bosheit hat mir nichts an,« erwiderte Front-de-Boeuf mit einem gräßlichen, erzwungenen Lachen. »Der ungläubige Jude? So einen zu mißhandeln, gilt als ein Verdienst! Die Männer, die ihre Hände in Sarazenenblut gebadet haben, sind heilig gesprochen worden. Die sächsischen Schweine, die ich erschlagen habe? Das waren die Feinde meines Vaterlandes, meines Volkes und meines Lehnsherrn. – Ho, ho, du siehst, es ist kein Loch in meinem Panzer! Bist du nun verstummt?«
»Nein, abscheulicher Verräter!« versetzte die Stimme. »Denk an deinen Vater, und wie sein Gemach überfloß von seinem Blute, das die Hand seines Sohnes vergossen hatte.«
»Ha!« versetzte nach langem Schweigen der Baron. »Und das weißt du? Dann bist du wirklich der Urheber alles Übels und so allwissend, wie dich die Priester nennen. Ich glaubte, das Geheimnis sei in meiner Brust verschlossen gewesen – und in noch einer – in der Brust des Weibes, das mich dazu versucht und daran teilgenommen hat – geh, böser Feind! Suche die sächsische Hexe Ulrika auf, die kann dir erzählen, was nur sie und ich gesehen haben. – Geh zu ihr, sage ich dir, die die Wunde gewaschen hat und die den Leichnam ausgestreckt hat, daß er aussah, als sei der Mann eines natürlichen Todes gestorben. – Geh zu ihr, sie hat mich verführt, sie hat mir gräßlich meine Tat gelohnt! Wenn mich, so laß auch sie die Qualen der Hölle kosten.«
»Sie kostet sie schon,« sagte Ulrika und trat vor das Lager Front-de-Boeufs hin, »lange hat sie aus diesem Becher getrunken, und der herbe Trank wird versüßt, wenn du mit daraus trinkst. Knirsche nicht mit den Zähnen, Front-de-Boeuf, und rolle nicht mit den Augen! Was ballst du die Faust und drohst mir? Die Faust, die einst stark war wie die deines berühmten Ahnen, der den Namen deines Geschlechts erhielt, weil er mit der Faust den Schädel eines Bergstiers zerschmettern konnte, diese Hand ist nun kraftlos und machtlos.«
»Verfluchte mörderische Hexe!« schrie Front-de-Boeuf. »Gräßliche Nachteule! Also bist du gekommen, um über den Trümmern, die du untergraben hast, dein Gespött zu singen?«
»Ja, Reginald Front-de-Boeuf. Es ist Ulrika, die Tochter des ermordeten Torquil Wolfganger, die Schwester seiner erschlagenen Söhne! – Sie fordert von dir und deines Vaters Hause Vater und Angehörige, Namen und Ehre und alles, was sie durch die Front-de-Boeufs verloren hat. – Denk an deine Sünden! – Du warst mein böser Engel, ich will der deine sein! Ich will dich peinigen bis zu dem Augenblicke des Todes!«
»Gräßliche Furie!« schrie Front-de-Boeuf. »Nimmer sollst du diesen Augenblick sehen! He, Sklaven, ergreift die verfluchte Hexe, stürzt sie kopfüber von den Zinnen herab! – verraten hat sie uns an die Sachsen! He, Sklaven, was zaudert ihr!«
»Rufe sie nur, du mächtiger Baron!« höhnte die Alte. »Rufe sie und drohe ihnen mit der Geißel und Kerker, wenn sie zögern! – Aber wisse, sie werden dir weder antworten, noch gehorchen, noch helfen! Hörst du die furchtbaren Töne? Rings von den Mauern her schallt der Sturm, der von neuem losbricht! Horch! dieses Kriegsgeschrei bedeutet den Untergang deines Hauses, und Front-de-Boeufs Macht, die mit Blut festgekittet ist, erzittert in ihren Grundfesten und wankt vor den Feinden, die ihm sonst die verächtlichsten waren. Der Sachse, Reginald, der verachtete Sachse erstürmt deine Wälle! Was liegst du hier wie ein müder Knecht, während der Sachse dein festes Schloß erstürmt?«
»Gott und Teufel!« tobte der verwundete Ritter. »Nur einen Augenblick Kraft, nur daß ich mich
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