Ivanhoe
Bresche – sie ringen um den Eingang – sie fechten Mann gegen Mann.«
Als könne sie das Entsetzliche nicht länger mit ansehen, wandte sie das Haupt ab. Dann sah sie auf Ivanhoes Bitte hin noch einmal in den Kampf und rief: »Heilige Propheten! Front-de-Boeuf und der schwarze Ritter fechten miteinander und ihre Krieger folgen lärmend dem Verlauf des Zweikampfes. Gott meiner Väter! unterstütze die Sache der Bedrohten und Gefangenen.« Gleich darauf schrie sie laut auf: »Er fällt! er fällt!« »Wer?« rief Ivanhoe. »Um der heiligen Jungfrau willen! wer?«
»Der schwarze Ritter! –« schrie Rebekka. Aber im selben Augenblick setzte sie hinzu: »Nein! nein! der Herrgott der himmlischen Heerscharen sei gelobt! Er steht wieder fest und kämpft, als hätte er die Kraft von zwanzig Mann in seinen Armen! Sein Schwert ist zerbrochen. Er reißt einem Yeoman die Streitaxt aus der Hand – er bedroht Front-de-Boeuf Schlag auf Schlag! der Riese wankt – wie die Eiche unter den Hieben des Fällers – er sinkt – er fällt –«
»Front-de-Boeuf!« rief Ivanhoe.
»Front-de-Boeuf!« erwiderte Rebekka. »Seine Mannen kommen ihm zu Hilfe, der stolze Templer führt sie an – ihre Übermacht wirft die Angreifer zurück und sie tragen Front-de-Boeuf herein.«
»Haben die Stürmenden die Barrieren gewonnen?«
»Jawohl, und sie setzten auf den Außenwerken den Belagerten hart zu. Leitern legen sie an, sie schwärmen wie die Bienen, heben einander auf den Schultern empor – Steine, Balken und Baumstämme werden auf sie herniedergeworfen, und sobald Verwundete gefallen sind, steigen auch schon neue Streiter an ihre Stelle herauf. Nun haben sie die Leitern umgestürzt, die Soldaten liegen darunter wie zertretenes Gewürm, die Belagerten sind im Vorteil.«
»Heiliger Georg!« rief Ivanhoe. »Kämpfe du für uns! Weichen denn diese erbärmlichen Yeomen etwa zurück?«
»Nein!« rief Rebekka. »Sie zeigen sich als echte Yeomen! Der schwarze Ritter naht jetzt mit seiner Axt dem Tore. Ihr könnt die donnernden Schläge hören, sie übertönen den Kampfeslärm. – Steine und Balken werden auf ihn herabgeworfen, aber er achtet darauf so wenig, als wären es Federn oder Disteln.«
»Nur ein Mann lebt in England,« rief Ivanhoe, indem er sich frohgemut auf seinem Lager aufrichtete, »der solch eine Tat vermag!«
»Die Tür bebt –« fuhr Rebekka fort, »sie zersplittert unter seinen Schlägen! – die Krieger dringen herein – das Außenwerk ist genommen – o Gott, von den Mauern stürzen sie die Verteidiger herunter, sie werfen sie in den Graben! O Menschen, seid ihr denn wirklich Menschen? – Verschont doch die, die sich nicht mehr wehren können!«
»Aber die Brücke zum Schlosse haben sie noch nicht?«
»Nein! der Templer hat sie zerstört und ist mit einer geringen Anzahl ins Schloß entkommen. Fürs erste scheint es nun vorüber. Unsere Freunde setzen sich auf dem Außenwerke fest, das ihnen hinreichenden Schutz gewährt. Man sieht kaum noch einige Bolzen fliegen.«
»Unsere Freunde werden ein so glücklich begonnenes Unternehmen nicht unvollendet aufgeben,« sagte Wilfried. »Nein! ich verlasse mich auf den schwarzen Ritter, dessen Streitaxt Eisenstäbe zerschlug und der ein Herz von Eisen spaltete. Seltsam!« sagte er zu sich selber. »Gibt es denn zwei Männer, die ein solches Wagnis auf sich nehmen? Ein Fesselschloß und Fesseln auf blauen Felde? Was soll das bedeuten? Siehst du sonst nichts, woran der schwarze Ritter zu erkennen wäre?«
»Nichts,« erwiderte die Jüdin. »Alles an ihm ist schwarz wie das Gefieder des Nachtraben. Ich kann nichts erkennen, was ihn deutlicher kennzeichnete, aber seit ich ihn einmal im Kampfe gesehen habe, will ich ihn unter tausend Kriegern herauskennen. Er stürzt sich in den Kampf, als wäre er zu einem Feste geladen. Das geht über die bloße Kraft eines Menschen weit hinaus! Es scheint, als sei die ganze Seele, der ganze Geist des Streiters bei jedem Schlage, den er führt. Der Herr vergebe ihm, daß er soviel Blut vergießt. Es ist entsetzlich, aber doch auch erhaben anzusehen, wie das Herz und der Arm eines einzigen über Hunderte triumphiert.«
»Rebekka,« sagte Ivanhoe, »Ihr habt da einen Helden beschrieben, und machen sie nur Rast, um neue Kräfte zu sammeln oder Mittel herbeizuschaffen, um über den Graben hinüberzukommen – unter einem Führer, wie ihr ihn geschildert habt, gibt es keine feige Furcht, keine Saumseligkeit und kein Zurückbeben vor kühnem
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