Ivanhoe
Geächteten. »Und trug sie nicht einen Schleier von seidnem Flor, der mit Silber durchwirkt war?« »Jawohl, jawohl!« rief der alte Mann, der jetzt vor Begierde zitterte wie zuvor aus Furcht. »Der Segen Jakobs sei mit dir. – Kannst du mir sagen, daß sie ist in Sicherheit?«
»Sicherlich ist sie es gewesen,« sagte der Yeoman, »der stolze Templer hat so eine mitgenommen, als er gestern durch unsere Reihen brach. Ich wollte schon einen Pfeil abschießen, aber ich ließ es sein, weil ich fürchtete, ich könnte dem Mädchen Schaden tun.«
»Wollte Gott, du hättest ihn abgeschossen,« jammerte der Jude. »Und hätte er ihr den Busen durchbohrt! Besser sie läge im Grabe ihrer Väter als im Bette eines stolzen grausamen Templers! Ischobad! Ischobad! Vernichtet ist die Ehre meines Hauses!«
»Meine Freunde!« sagte Locksley. »Der alte Mann ist freilich nur ein Jude, aber sein Kummer rührt mich. – Isaak, sag uns ehrlich, wenn du uns tausend Kronen Lösegeld zahlst, bleibt dir dann gar nichts mehr?« Isaak dachte an seine irdischen Güter und seine Liebe zu ihnen war so groß, daß sie selbst seiner Vaterliebe den Rang streitig machte. Er erblaßte, stammelte und konnte nicht in Abrede stellen, daß ihm noch ein wenig bleiben würde.
»Gut,« sagte Locksley. – »was dir bleibt, wollen wir nicht in Anrechnung bringen. Ohne Geld kannst du deine Tochter ebensowenig aus den Klauen des Templers befreien, wie wir einen Königshirsch mit einem Pfeil ohne Kopf schießen können. Wir wollen von dir dasselbe Lösegeld nehmen wie von dem Abt, oder lieber noch hundert Kronen weniger. Es bleiben dir dann immer noch fünfhundert Kronen übrig, die du für deine Tochter verwenden kannst. Templer sind in den Glanz von Gold und Silber ebenso vernarrt wie in den von schwarzen Augen. Laß deine Kronen vor Bois-Guilberts Ohren erklingen, sonst geht es nicht gut. Du findest ihn, wie unsere Spione melden, im nächsten Präzeptorium seines Ordens.«
»Jude,« sagte Prior Aymer, »vielleicht könntest du mit einigen Gaben für den Altar des heiligen Robert Gnade finden für deine Tochter Rebekka. Das Mädchen dauert mich, denn sie ist schön und wohlgebaut, in den Schranken von Ashby habe ich sie gesehen. Denke darüber nach, wie du meine Fürsprache gewinnen magst, ich habe großen Einfluß auf Bois-Guilbert.«
»Wehe!« rief der Jude. »Überall dringen Räuber auf mich ein, ich bin eine Beute der Assyrer und Ägypter!« Er seufzte und rang die Hände, aber der Anführer der Geächteten nahm ihn zur Seite. »Überlege dir, Isaak,« sagte er, »was du in dieser Sache tun willst. Ich kann dir nur raten, mache dir den Mann der Kirche zum Freunde, er ist geizig und braucht viel, so kannst du leicht seine Gunst gewinnen. Denke ja nicht, daß ich dir glaube, was du mir von deiner Armut vorlügst. Ich kenne den eisernen Kasten, darin du deine Geldsäcke aufbewahrst, und ich kenne den großen Stein in deinem Garten zu York, wo es in das geheime Gewölbe hinuntergeht.« Der Jude wurde totenbleich. »Fürchte nichts von mir,« fuhr der Yeoman fort. »Wir sind alte Bekannte. Erinnerst du dich noch des kranken Yeoman, den deine schöne Tochter Rebekka aus dem Fußblock erlöste und zu Hause behielt, bis sie ihn gesund gepflegt hatte? Als ich ging, hast du mir noch eine Silbermünze mit auf den Weg gegeben. So sehr du auch ein Wucherer bist, nie hat dir Geld so gute Zinsen getragen als dieses Silberstück, heute hat es dir fünfhundert Kronen eingebracht.«
»So bist du der, den wir Diccon, den Bogenspanner nannten? Deine Stimme ist mir gleich bekannt vorgekommen.«
»Der bin ich, und heiße auch Locksley, und einen andern guten Namen habe ich auch noch.«
»Aber guter Bogenspanner,« sagte der Jude, »wegen des Gewölbes bist du im Irrtum. Es ist nichts weiter darin wie ein paar Waren, die ich gern mit dir teilen will – hundert Ellen grünes Tuch zu Wämsern für deine Leute, hundert Stöcke spanisches Rohr zu Bogen und schöne seidene Schnüre – ich will sie dir gern schicken, wenn du nur wegen des Gewölbes nichts verraten willst, ehrlicher Diccon.«
»Schweigen will ich wie das Grab,« sagte Locksley. – »Aber um deine Tochter ist mir bange und doch kann ich ihr nicht helfen. Du mußt die Klugheit zu Hilfe nehmen. Soll ich für dich mit dem Prior verhandeln?«
»In Gottes Namen, Diccon, wenn ich dadurch mein Kind wiederbekommen kann.«
»Prior Aymer,« sagte der Hauptmann, während ihm der Jude wie sein Schatten folgte,
Weitere Kostenlose Bücher