Ivanhoe
leibliches Wohl.
»Wie, meine Herren,« sprach er mit einer Stimme, in der all diese Empfindungen zum Ausdruck kamen »was ist das für eine Ordnung? Seid ihr Türken oder seid ihr Christen, daß ihr mit einem Diener der Kirche so umspringt? Ihr habt mein Felleisen geplündert, meinen Spitzenkragen zerrissen. Ein anderer an meiner Stelle hätte sein Excommunicabo vos gesprochen. Ich aber bin friedlichen Sinnes, und wenn ihr mir meine Pferde zurückgebt, meine Brüder freilaßt, mir die Felleisen wieder füllt und auf der Stelle hundert Kronen für den Hochaltar der Abtei von Iorlvaux zahlt, fernerhin das Gelübde leistet, bis zum nächsten Pfingsten kein Wild zu essen, so kann es am Ende möglich sein, daß euch dieser tolle Streich weiter keine Unannehmlichkeiten macht.«
»Heiliger Vater!« erwiderte der Hauptmann. »Es tut mir leid, daß meine Leute Euch so unhöflich behandelt haben.«
»Behandelt?« versetzte der Priester, ermutigt durch den sanften Ton des Anführers. »So wie sie mich behandelt haben, so behandelt man keinen Hund – geschweige denn einen Christen – gar einen Priester – am wenigsten aber den Abt von Iorlvaux. Ein gottloser Minnesänger ist unter euch, der hat mir mit körperlicher Züchtigung, ja mit dem Tode gedroht, wenn ich nicht vierhundert Kronen als Lösegeld zahlte, ungerechnet alles, was sie mir geraubt haben. – Goldene Ketten und Juwelenringe von unschätzbarem Werte – und alles, was unter ihren Händen zerbrochen ist, so meine Dose und mein silbernes Kräuseleisen.«
»Wirklich? – So hättet Ihr wohlgetan, heiliger Vater, die Forderung zu erfüllen, denn meine Leute halten ihr Wort.«
»Ihr scherzet!« rief der bestürzte Mönch mit erzwungenem Lachen. »Einen guten Spaß liebe ich sehr, aber hahaha! wenn der Scherz die liebe lange Nacht kein Ende genommen hat, so wird es am Morgen Zeit, daß wieder der Ernst an die Reihe kommt.«
»Und mir ist es auch Ernst wie einem Beichtvater,« versetzte der Hauptmann. »Ihr müßt ein stattliches Lösegeld zahlen, Herr Prior, sonst dürfte Euer Kloster einen neuen Prälaten zu wählen haben, denn dann nehmt Ihr Eure Stelle nie wieder ein.«
»Seid ihr denn Christen?« sagte der Prior, »und redet so zu einem Diener der Kirche?«
»Freilich sind wir Christen,« war die Antwort, »und halten unter uns auf Religion. Unser fideler Kaplan mag vortreten und dem ehrwürdigen Vater den Text lesen, um den es sich hier handelt.«
Halb nüchtern, halb betrunken, warf der Mönch die Kutte über sein grünes Weidmannswams und raffte alle Brocken Gelehrsamkeit zusammen, die ihm noch aus früherer Zeit erinnerlich waren. »Heiliger Vater,« begann er, »deus faciet salvum veningnitatem vestrum. Willkommen im grünen Walde!«
»Was soll der ketzerische Mummenschanz?« fragte der Prior. »Freund, so du wirklich zur Kirche gehörst, so tätest du besser daran, mir zu zeigen, wie ich aus den Händen dieser Männer entkommen kann, statt daß du dich hier bückst und heulst wie ein Fetischmann der Kannibalen.«
»Wahrlich, ehrwürdiger Vater,« erwiderte der Mönch, »ich weiß nur einen Weg, wie Ihr entkommen könnt. Heut ist für uns Sankt Andreastag – wir ziehen unsern Zehnten ein.«
»Doch nicht von der Kirche, will ich hoffen, guter Bruder?«
»Von Kirche und Welt. Ich rate Euch daher, Herr Prior, macht Euch Freunde mit dem ungerechten Mammon – facite vobis amicos de Mammons iniquitatis – hier kann Euch keine andere Freundschaft etwas nützen.«
»Gut,« fügte sich der Abt, »da ich einmal dafür büßen soll, daß ich ohne Begleitung nach Wallingstreet geritten bin, was soll ich zahlen?«
»Wäre es nicht ratsam,« fragte einer der Männer den Hauptmann, »daß wir das Lösegeld für den Prior von dem Juden und das für den Juden von dem Prior festsetzen ließen?«
»Du bist ein toller Vogel,« sagte der Hauptmann, »aber dein Vorschlag ist entzückend! Komm her, Jude! Sieh dort den heiligen Vater Aymer, den Prior der reichen Abtei Jorlvaux. Sage uns, wie hoch können wir sein Lösegeld berechnen? – Du kennst doch gewiß die Einkünfte seines Klosters.«
»Gewiß,« versetzte Isaak. »Ich habe gehandelt von den guten Vätern Weizen, Gerste und Erdfrüchte, auch Wolle viel. – O, eine reiche Abtei ist das! Sie leben dort gut und trinken den köstlichsten Wein, die guten Väter von Jorlvaux. Ach, wenn doch ein armer, ausgestoßener Mann so reich wäre und ein solches Einkommen hätte alle Jahre und Monate – Gold und Silber
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