Ivanhoe
nutzlos, zu behaupten, das was die Männer wider mich vorgebracht haben – Gott möge ihnen verzeihen! – Dinge der Unmöglichkeit sind – und noch weniger würde es mir helfen zu erklären, daß das Eigentümliche an meiner Kleidung, meiner Sitte und Sprache Eigentümlichkeiten meines Volkes sind, fast hätte ich gesagt, meines Vaterlandes, doch ach! wir haben ja kein Vaterland! Auch auf Kosten meines Peinigers dort will ich mich nicht verteidigen. Zwischen mir und ihm möge Gott richten! Ich will nur alle gegen mich erhobenen Beschuldigungen auf ihn zurückwerfen, ja auf ihn! Brian de Bois-Guilbert! auf Euch selber berufe ich mich. Erklärt, ob diese Beschuldigungen nicht so unwahr, verleumderisch und ungeheuerlich wie verwerflich sind!«
Eine Pause trat ein. Aller Augen wandten sich auf Brian de Bois-Guilbert, der aber schwieg. »Sprecht,« fuhr sie fort, »sprecht, so Ihr ein Mann – so Ihr ein Christ seid! Ich beschwöre Euch bei dem Kleide, das Ihr tragt, bei dem Namen, den Ihr ererbt habt, bei der Ritterschaft, deren Ihr Euch rühmt, bei der Ehre Eurer Mutter, bei dem Grabe und den Gebeinen Euers Vaters beschwöre ich Euch, sagt, ist dies alles wahr?!«
»Mein Bruder, antworte ihr,« sagte der Großmeister, »sofern der Dämon, der in dir ist, dir die Kraft dazu läßt.«
In der Tat schien Bois-Guilbert durch widerstreitende Leidenschaften heftig erschüttert, sein Angesicht verzerrte sich, und mühsam, den Blick auf Rebekka geheftet, stammelte er die Worte: »Das Blatt – das Blatt!« Und Rebekka sah rasch auf ein Stück Pergament, das sie noch in der Hand hielt, und las darauf die in arabischer Sprache geschriebenen Worte: »Fordere einen Kämpfer!« Bei dem Gemurmel, das über Bois-Guilberts seltsame Antwort durch die Versammlung lief, fand sie Zeit, unbemerkt das Blatt zu lesen und es zu vernichten.
»Das Geständnis des unglücklichen Ritters, Rebekka,« sagte der Großmeister – »kann dir keinen Vorteil bringen. Wir sehen daran nur, daß ihn der Dämon völlig in der Gewalt hat. Hast du sonst noch etwas zu sagen?«
»So bleibt mir denn nach Euern strengen Gesetzen nur ein Mittel übrig, mir das Leben zu retten,« sprach Rebekka, »zwar war es ein elendes Leben, besonders in der letzten Zeit, aber rauben lassen will ich es mir nicht! Ich leugne alles, wessen Ihr mich beschuldigt habt, ich behaupte meine Unschuld und erkläre die Anklage für falsch! Ich suche Entscheidung durch ein Gottesurteil nach und werde durch einen Kämpfer meine Unschuld dartun.«
»Wer aber soll die Lanze für eine Zauberin erheben, Rebekka,« entgegnete der Großmeister, »wer soll Kämpfer für die Jüdin sein?«
»Gott wird mir einen Kämpfer erwecken,« sagte Rebekka. »Es ist unmöglich, daß in dem heitern, freien, hochsinnigen, gastfrohen England, wo so mancher sein Leben um Ehre wagt, nicht einer für die Gerechtigkeit in die Schranken treten sollte. Genug! Ich fordere ein Gottesgericht. Da liegt mein Pfand!«
Sie zog den gestickten Handschuh ab und warf ihn dem Großmeister hin mit einer Gebärde, in der Würde und Schlichtheit zugleich lagen, und die Versammlung brach in ein Gemurmel des Erstaunens und der Bewunderung aus.
Zweiunddreißigstes Kapitel.
Selbst Lukas Beaumanoir war gerührt durch Rebekkas Tapferkeit. Er war von Natur weder grausam noch hart. Nur Leidenschaften kannte er nicht, und seine hohen, wenn auch auf Irrtum fußenden Begriffe von der Pflicht hatten sein Herz allmählich verhärtet. Dazu kam noch, daß er ein Leben der Askese geführt hatte und ihm die hohe Gewalt in die Hände gegeben war und er sich für verpflichtet hielt, Unglauben und Ketzerei auszurotten. Als er daher auf das schöne Mädchen blickte, das ganz allein und ohne Freunde sich so mutig und entschlossen verteidigte, wich die gewohnheitsmäßige Strenge aus seinen Zügen. Er bekreuzte sich zweimal, als traue er dieser weichen Anwandlung nicht recht, da er ja sonst sein Herz als stahlhart kannte.
»Mädchen,« sagte er dann, »wenn das Mitleid, das ich jetzt empfinde, dem Einfluß, den deine höllische Kunst über mein Herz gewonnen hat, zuzuschreiben ist, so ist deine Schuld sehr groß. Aber ich will es lieber den sanfteren Empfindungen der Natur zuschreiben und der Trauer, daß in einem so schönen Geschöpf soviel Verworfenheit steckt. Bereue, meine Tochter – bekenne deine Zauberei – wende dich ab von deinem falschen Glauben – umarme dieses heilige Zeichen, und es soll jetzt und hinfüro gut um dich stehen! In
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