Ivanhoe
einer Schwesterngemeinde sollst du leben und büßen und beten, und du wirst es nie bereuen. Tust du das, so sollst du am Leben bleiben. Was hat das Gesetz Mosis an dir getan, daß du dafür sterben möchtest?«
»Es war das Gesetz meiner Väter! In Donner und Sturm, in Blitz und Gewölk ist es auf dem Berge Sinai gegeben worden. Doch vergebt, ich bin ein Mädchen und kann nicht für meine Religion streiten, aber ich kann für sie sterben, wenn es Gottes Wille ist. – Ich bitte Euch, gewährt mein Gesuch um einen Kämpfer!«
»Gebt mir den Handschuh,« erwiderte Beaumanoir. »Dies,« fuhr er fort, das zarte Gewebe und die feinen Finger betrachtend, »ist fürwahr ein leichtes gebrechliches Pfand für ein so tödliches Beginnen. Sieh, Rebekka, wie dieser Handschuh sich zu unsern schweren, eisernen verhält, so steht deine Sache gegen die des Tempels, denn es ist unser Orden, den du herausgefordert hast.«
»Werft meine Unschuld in die Schale,« versetzte sie, »und die Seide wird den Stahl aufwiegen.«
»Du beharrst also auf deiner Weigerung, deine Schuld zu gestehen, und hältst deine kühne Herausforderung aufrecht?«
»Ich halte sie aufrecht, edler Herr.«
»So sei es denn in Gottes Namen,« sagte der Großmeister, »und so mag denn Gott die Wahrheit ans Licht bringen!«
»Amen!« setzten die Präzeptoren hinzu, und dieses Wort lief durch die ganze Versammlung.
»Meine Brüder,« sprach der Ordensmeister, »Ihr seid vielleicht der Ansicht, wir hätten diesem Weibe das Gottesurteil abschlagen können. Aber wenn sie auch eine Jüdin und eine Ungläubige ist, so ist sie doch eine Fremde und ohne Schutz, und Gott verhüte, daß sie den Schutz unserer Gesetze umsonst anrufe. Wem, meine verehrten Brüder, sollen wir dieses Pfand nun ausliefern? Wen sollen wir zu unserm Kämpfer in diesem Gottesgerichte ernennen?«
»Brian de Bois-Guilbert, den die Sache vor allem angeht,« antwortete der Präzeptor von Goodalricke. »Er weiß überdies auch am besten, wie es mit der Wahrheit in diesem Falle steht.«
»Wenn aber unser Bruder Brian,« versetzte Beaumanoir, »unter dem Banne des Zaubers steht?«
»Gegen einen Streiter in einem Gottesgericht kann kein Zauber bestehen.«
»Du sprichst wahr, Bruder. Albert Malvoisin, gib dieses Pfand Bois-Guilbert! Bruder,« wandte er sich dann an diesen, »wir erteilen dir den Befehl, männlich deinen Kampf zu bestehen, ohne an dem guten Ausgang für die gute Sache zu zweifeln. Dir, Rebekka, tragen wir auf, von heute ab binnen drei Tagen einen Kämpfer zu stellen.«
»Das ist eine kurze Frist für eine Fremde, die nicht Euers Glaubens ist, einen Streiter zu finden, der für sie Ehre und Leben wagen soll,« entgegnete Rebekka.
»Wir können sie nicht verlängern. Der Kampf muß vor unsern Augen ausgefochten werden, und wichtige Geschäfte rufen uns am vierten Tage von hier fort.«
»So geschehe denn Gottes Wille,« sagte Rebekka. »Auf ihn setze ich mein Vertrauen, ist doch für ihn zur Rettung ein Augenblick gleich einem Jahrhundert.«
»Es wäre nur noch übrig,« sagte der Großmeister, »einen passenden Platz für den Kampf und – so Gott will – für die Vollstreckung des Urteils zu bestimmen. Wo ist der Präzeptor dieses Hauses?«
Albert Malvoisin hielt noch immer Rebekkas Handschuh zwischen den Fingern und sprach eindringlich, aber leise mit Bois-Guilbert.
»Wie?« fragte der Großmeister. »Will er das Pfand nicht annehmen?«
»Er will es annehmen – er hat es angenommen, hochwürdiger Vater,« antwortete Albert von Malvoisin, indem er rasch den Handschuh unter dem Mantel verbarg. – »Als Platz zum Kampfe werden sich die Schranken von St. Georg am besten eignen, sie gehören zum Päzeptorium, und wir halten darauf unsere kriegerischen Übungen ab.«
»Gut,« sagte der Großmeister. »In diesen Schranken, Rebekka, soll sich dein Kämpfer einfinden. Geschieht dies nicht oder fällt dein Kämpfer im Gottesurteil, so sollst du in den nämlichen Schranken den Tod einer Zauberin sterben, unserm Urteil gemäß. Dieser Spruch ist in die Ordensbücher einzutragen. Lest ihn laut vor, damit sich niemand entschuldigen könne, daß er nichts davon gewußt habe.«
Einer der Kaplane trug das Urteil in das Ordensbuch ein. Als er mit Schreiben fertig war, las der andere es vor, indem er es zugleich aus dem Normännisch-Französischen ins Englische übersetzte:
»Rebekka, eine Jüdin, Tochter des Isaak von York, ist der Zauberei, der Verführung und anderer böser Künste
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