Ivanhoe
Beweggründe nicht schlecht waren, wenn auch mein Verfahren wider die Regel verstieß. Ich unterwerfe mich freudig jeder Buße, die er mir aufzuerlegen für angebracht befinden wird.«
»Wohl gesprochen, Bruder Albert,« sagte Beaumanoir. »Deine Gründe waren gut, denn du hattest recht, daß du deinem irrenden Bruder den Weg zur Sünde verlegen wolltest, aber deine Maßregel war verfehlt. Der heilige Stifter unseres Ordens hat zur Morgenandacht dreizehn und zur Vesper neun Paternoster festgesetzt, verdopple diese Zahl! Der Templer darf nur dreimal in der Woche Fleisch genießen, enthalte du dich dessen ganz! Dies sechs Wochen lang innegehalten, und deine Buße ist getan!«
Mit einem heuchlerischen Blick tiefster Unterwürfigkeit zog sich der Präzeptor von Templestowe zurück. Dann sprach der Großmeister weiter:
»Wäre es nicht angebracht, meine Brüder, daß wir das Vorleben dieses Weibes näher untersuchten, damit wir erfahren, ob sie schon früher Zauberkünste getrieben hat?«
Hermann von Goodalricke war der vierte der anwesenden Präzeptoren, ein alter Krieger, dessen Gesicht von Narben bedeckt war. Er erfreute sich großen Ansehens und hoher Achtung unter seinen Brüdern und erhielt sogleich die Erlaubnis zu reden.
»Hochwürdiger Vater!« sagte er. »Ich möchte von unserem Bruder Brian de Bois-Guilbert hören, was er selber zu den seltsamen Bezichtigungen und über seinen Verkehr mit dieser jüdischen Dirne zu sagen hat.«
»Brian de Bois-Guilbert,« sagte der Großmeister, »du hörst die Frage, ich befehle dir, darauf zu antworten.«
Bois-Guilbert wandte sein Haupt nach dem Großmeister hin, er versuchte, seinen Hohn und seine Verachtung zu verbergen, da er wohl wußte, daß es ihm nichts nutzen würde, sie hier zu äußern.
»Brian de Bois-Guilbert,« erwiderte er, »verteidigt sich nicht gegen so alberne und rohe Beschuldigungen. Wenn seine Ehre angegriffen wird, so wird er sie verteidigen mit seinem Leibe und mit seinem Schwerts, mit dem er so oft für die Christenheit gekämpft hat.«
»Wir vergeben dir, Bruder Brian,« antwortete der Großmeister, »daß du dich deiner Kriegstaten vor uns rühmst. Auch dieses Eigenlob kommt von dem Bösen, der uns immer versucht, unser eigenes Verdienst zu erhöhen.«
In den stolzen dunkeln Augen Guilberts flammte ein Blick der Verachtung und des Zornes, doch gab er keine Antwort.
»Da nun die Frage unseres Bruders von Goodalricke,« fuhr Beaumanoir fort, »so unvollkommen beantwortet worden ist, so fahren wir in der Untersuchung fort und hoffen, mit Hilfe unseres Schutzpatrones, in das gottlose Geheimnis zu dringen. Wer sonst über Leben und Treiben dieser Jüdin etwas auszusagen hat, der trete vor.«
Nach diesen Worten wurde in dem untern Teile der Halle ein Geräusch laut, und als der Großmeister fragte, was vor sich gehe, erhielt er die Nachricht, daß ein Mann da sei, der bettlägerig gewesen sei und von der Jüdin soweit wieder geheilt worden sei, daß er sich an Krücken bewegen könne. Der arme Mann, ein Sachse von Geburt, wurde vor die Schranken gebracht. Nur widerwillig und nicht ohne Scheu erzählte der Mann, er sei vor zwei Jahren, als er gerade in York bei dem Juden Isaak als Tischler gearbeitet habe, von einem schmerzhaften Übel befallen worden, daß er sich nicht von der Stelle habe bewegen können, bis ihn Rebekka in Pflege genommen und bis ihn die von ihr verschriebenen Mittel, vor allem ein erquickender Balsam, soweit wieder hergestellt hätten, daß er wenigstens einigermaßen die Glieder gebrauchen könne. Sie habe ihm eine Büchse von der köstlichen Salbe gegeben und auch ein Stück Geld, damit er in das Haus seines Vaters nach Templestowe habe zurückkehren können.
»Und mit Verlaub Eurer Hochwürden,« sagte der Mann, »ich kann nicht glauben, daß mir das Mädchen – wenn es auch nur eine Jüdin ist – damit hat ein Leid zufügen wollen, ich habe ein Vaterunser dazu gesprochen, und ihr Mittel hat mir gar sehr gut getan.«
»Wie heißt du, Sklave?«
»Higg, der Sohn Snells.«
»So laß dir sagen, Higg, Sohn Snells,« sprach der Großmeister, »es ist besser, zu Bette liegen zu müssen, als von einer Ungläubigen eine Arznei anzunehmen, um wieder gehen zu können – besser, die Ungläubigen mit starker Hand ihrer Schätze zu berauben, als für sie zu arbeiten oder Geschenke von ihnen anzunehmen. – Geh hin und tu nach meinen Worten.«
»Mit Verlaub, Euer Hochwürden,« versetzte der Alte, »für mich kommt die gute
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