Ivanhoe
über dir und daher schreibe ich dir die Bedingungen vor.«
Der Jude seufzte tief. »Gib wenigstens mit mir auch meine Reisegefährten frei. Sie haben mich verachtet, aber sie hatten doch Mitleid mit meiner Not.«
»Wenn du die sächsischen Bauern meinst, denen werden andere Bedingungen gestellt als dir. Ich warne dich, Jude, kümmere dich nur um deine Angelegenheiten und nicht um fremde.«
»Dann bitte ich Euch,« sagte Fsaak, »laßt wenigstens meinen verwundeten Freund mit mir frei.«
»Soll ich es einem Sohne Israels zweimal nahelegen,« fuhr Front-de-Boeuf auf, »sich nicht um fremde Angelegenheiten zu bekümmern? Du hast nichts weiter zu tun, als das Lösegeld zu beschaffen.«
»Höre mich an,« begann der Jude wieder, »bei dem Reichtum, den du dir auf Kosten deines –«
Er hielt inne, denn er fürchtete, den wilden Normannen zu beleidigen, aber Front-de-Boeuf ergänzte selber die Worte Isaaks.
»Auf Kosten meines Gewissens,« sagte er lachend, »sprich es aus, Isaak. – Ich sage dir, die Vorwürfe dessen, der im Nachteile ist, kann ich mit anhören, selbst wenn der Betreffende ein Jude ist. Die Hauptsache ist: wann bekomme ich mein Geld? wann soll ich das Silber haben?«
»Laßt meine Tochter Rebekka nach York gehen,« erwiderte Isaak, »und gebt ihr ein sicheres Geleit, edler Ritter, und sobald wie Mann und Roß den Weg zurücklegen können, soll der Schatz« – bei diesen Worten weinte er bitterlich, aber gleich darauf fügte er hinzu: – »soll der Schatz hier zu Euern Füßen liegen.«
»Deine Tochter?« sagte Front-de-Boeuf mit erkünsteltem Erstaunen. »Beim Himmel, Jude! Das hätte ich wissen sollen! Ich dachte, die schwarzäugige Dirne wäre deine Metze, und ich habe sie Brian de Bois-Guilbert als Dienerin gegeben.«
Das Gewölbe hallte wider von dem Schrei, den der Jude bei dieser ihm so grob und gefühllos mitgeteilten Nachricht ausstieß. Es erschreckte sogar die beiden Sarazenen in solchem Maße, daß sie ihren Gefangenen losließen, der diesen Vorteil auf der Stelle benützte, auf das Pflaster zu stürzen und Front-de-Boeufs Knie zu umfassen.
»Nehmt alles, Herr Ritter, was Ihr erwartet, ja nehmt noch zehnmal mehr!« rief er. »Macht mich meinetwegen zum Bettler – rennt mir den Dolch durch den Leib, bratet mich auf dem Roste! Aber – schont meine Tochter und liefert sie mir aus wohlbehalten und in Ehren! Sofern Ihr vom Weibe geboren seid, schonet ein hilfloses Mädchen! Sie ist das Abbild meiner verstorbenen Rahel, das letzte der sechs Pfänder ihrer Liebe – Wollt Ihr einem verlassenen Vater den letzten Trost rauben, der ihm noch übrig ist? Wollt Ihr, daß er wünsche, sein einziges Kind liege tot bei der Mutter im Sarge, im Grab meiner Väter?«
»Ich wünschte, ich hätte das früher gewußt,« sagte mit milderer Stimme der Normanne, »ich dachte, dein Stamm liebe nur den Geldsack.«
»Denke von uns nicht so niedrig,« sprach Isaak und griff gierig nach diesem Moment eines scheinbaren Mitgefühls – »liebt nicht der gejagte Fuchs sein Junges und die gequälte Wildkatze das ihrige? Wie soll der verachtete, verfolgte Stamm Abrahams nicht auch lieben seine Kinder?«
»Mag ja sein,« erwiderte Front-de-Boeuf, »und um deiner selbst willen, Isaak, will ich es künftighin glauben. Aber das bringt uns jetzt nicht weiter. Geschehenes gut zu machen, vermag ich nicht, auch nicht, was etwa noch geschehen kann. Mein Waffenbruder hat mein Wort, und Front-de-Boeuf bricht sein Wort um eines Dutzends von Juden und Jüdinnen nicht! – Was soll denn auch dem Mädchen Übles begegnen können, selbst wenn sie Bois-Guilberts Beutestück ist? He?«
»Ach Jehovah! Jehovah!« rief händeringend der Jude. »Wann haben die Templer auf anderes gesonnen als auf Grausamkeit gegen Männer – als auf Entehrung der Weiber?«
»Hund von einem Ungläubigen!« rief Front-de-Boeuf mit glühenden Augen, froh, einen Vorwand gefunden zu haben, daß er in Wut geraten konnte, »schmähe nicht den heiligen Orden des Tempels von Zion, denke vielmehr darüber nach, wie du dein Lösegeld herbeischaffen willst, sonst wehe dir!«
»Räuber und Bösewicht!« rief der Jude, die Schmähungen seines Peinigers mit wilder Leidenschaft zurückgebend, die er nicht länger zu unterdrücken vermochte, obgleich er hilflos war, »nichts will ich dir zahlen, nicht einen Silberling, bis nicht meine Tochter ausgeliefert ist!«
»Bist du von Sinnen, Jude? sagte der Normann fest. »Trägt dein Fleisch und Mut Verlangen nach
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