Ivanhoe
ungeheure Summe nicht zusammenbringen.«
»Ich lasse mit mir reden,« sagte Front-de-Boeuf, »was an Silber fehlt, nehme ich in Gold an, die Mark in Gold zu sechs Pfund Silber gerechnet. Wenn du das zahlst, kannst du dein ungläubiges Gerippe von einer Marter loskaufen, wie sie sich dein Sinn nie hat träumen lassen.«
»Habt Barmherzigkeit mit mir!« rief Isaak. »Ich bin alt und hilflos. Es ist Eurer unwürdig, über mich zu triumphieren. – Eine erbärmliche Tat ist es, zu zertreten einen Wurm.«
»Alt magst du sein,« versetzte der Ritter, »zur Schande für die, die dich in Wucher und Prellerei haben grau werden lassen. Schwach magst du auch sein, denn wann hätte ein Jude Herz und Hand gehabt? – Aber es ist auch weltbekannt, daß du reich bist.«
»Ich schwöre es Euch, edler Ritter, bei allem, was ich glaube, bei allem, was wir gemeinschaftlich glauben –«
»Werde nicht meineidig an dir selber,« fiel ihm der Normann ins Wort. »Denke nicht, daß ich nur Worte mache, um dir einen Schreck einzujagen und die niedrige Feigheit auszunutzen, die deinem ganzen Volke eigen ist. Ich schwöre dir bei allem, was du nicht glaubst, bei dem Evangelium, das unsere Kirche predigt, mein Vorsatz steht fest und wird schnell vollzogen. Dieser Kerker ist nicht zu Kinderpossen gemacht. Gefangene, tausendmal hervorragendere Männer als du, haben in diesen Mauern ihre Seele ausgehaucht, und nie hat jemand erfahren, was aus ihnen geworden ist. Dir aber ist ein langsamer, qualvoller Tod zugedacht, gegen den alle Leiden, die jene erduldet haben, ein Nichts sind.«
Wieder gab er den Sklaven ein Zeichen, näher zu treten, und sprach mit ihnen in ihrer Heimatsprache, denn auch er war in Palästina gewesen. Die Sarazenen nahmen jetzt Holzkohle aus ihren Körben, Blasebälge und eine Flasche voll Öl. Der eine machte ein Feuer an, der andere legte Kohlen unter den alten Rost und blies sie an, bis sie rot glühten.
»Isaak, siehst du die eisernen Stäbe über den glühenden Kohlen?« sagte Front-de-Boeuf. »Du wirst entkleidet und auf dieses heiße Lager gebettet. Einer der Sklaven unterhält das Feuer unter dir, der andere bestreicht deine elenden Glieder mit Öl, damit der Braten nicht anbrennt. – Nun wähle! – Entweder ein so qualvolles Bett oder tausend Pfund Silber bezahlen. Bei dem Haupte meines Vaters! eine andere Wahl hast du nicht.«
»So mögen mir beistehen alle Erzväter!« jammerte Isaak. »Ich kann keine Wahl treffen, denn ich habe die Mittel nicht, zu bezahlen Eure ungeheure Forderung.«
»Ergreift ihn und entkleidet ihn, Sklaven!« rief der Ritter. »Er mag sehen, ob ihm seine Erzväter beistehen.«
Die Diener kamen und legten Hand an den unglücklichen Isaak. Sie rissen ihn vom Boden empor und hielten ihn zwischen sich fest, der weiteren Winke des Barons gewärtig. Der arme Jude sah in ihre und Front-de-Boeufs Gesicht, ob er Zeichen von Mitleid gewahre. Aber der Baron sah mit kaltem spöttischen Lächeln drein, und das wilde Auge der Sarazenen rollte düster und blutgierig unter den finsteren Brauen. Sie schienen sich eher auf die Arbeit zu freuen, die ihnen zuerteilt war, als den geringsten Widerwillen dagegen zu empfinden. Dann sah der Jude auf die glühenden Kohlen, auf die er gelegt werden sollte, und da er einsah, daß er sich von seinem Peiniger keines Erbarmens versehen dürfte, änderte er seinen Entschluß.
»Ich will zahlen,« sagte er, »die tausend Pfund Silber, das heißt,« setzte er schnell hinzu, »ich will sie aufbringen mit Hilfe meiner Brüder, denn wie ein Bettler muß ich stehen an der Tür unserer Synagoge, bis ich die riesige Summe zusammenhabe. – Wann und wo soll sie abgeliefert werden?«
»Hier,« antwortete Front-de-Boeuf, »hier muß sie niedergelegt werden, hier in diesem Kerker wird sie gewogen und bezahlt. Denkst du, ich lasse dich frei, ehe mir das Lösegeld sicher ist?«
»Und was habe ich für Sicherheit,« entgegnete der Jude, »daß ich freigelassen werde, wenn ich das Lösegeld bezahlt habe?«
»Das Wort eines Normannen, du Wucherer,« versetzte Front-de-Boeuf, »das Ehrenwort eines normannischen Edelmannes, das mehr wert ist als all dein Gold und Silber, als alles Gold und Silber deiner Rasse.«
»Ich bitte um Verzeihung, edler Herr,« erwiderte Isaak furchtsam, »aber warum soll ich Vertrauen haben zum Worte eines Mannes, der zu dem meinen keines hat?«
»Weil dir nichts anderes übrigbleibt,« war die stolze Antwort des Normannen. »Hier habe ich den Vorteil
Weitere Kostenlose Bücher