Ivanhoe
einem heiligen Ende, frommer Vater,« sagte Cedric.
»Warte noch ein bißchen, guter Onkel!« sagte jetzt der Narr in seinem natürlichen Tone. –«Ehe du ins Dunkle springst, schau besser hin.«
»Weiß es Gott!« rief Cedric, »die Stimme sollte ich kennen.«
»Es ist die Stimme Euers treuen Sklaven und Narren,« antwortete Wamba, indem er die Kapuze zurückschlug. »Wenn Ihr früher dem Rate eines Narren gefolgt wäret, so säßet Ihr jetzt nicht hier. Befolgt ihn nun, und Ihr werdet nicht lange mehr hier sitzen.«
»Was willst du damit sagen, Schelm?« fragte der Sachse.
»Nehmt dieses Kleid,« sagte Wamba, »und diesen Strick, sie machen meine ganze Priesterschaft aus – und verlaßt in aller Ruhe das Schloß. Laßt mir Euern Mantel und Gürtel, und ich bleibe an Eurer Stelle zurück.«
»Du an meiner Stelle?« rief Cedric, erstaunt über diesen Vorschlag. »Aber sie werden dich hängen, mein armer Schelm.«
»Laßt sie doch tun, was sie wollen,« versetzte Wamba. »Ich will zwar Eurer Abkunft nicht zu nahetreten, aber ich meine, der Sohn von Ohnewitz wird mit ebensoviel Anstand an der Kette hängen, wie die Kette an seinem Vorfahr, dem Rathsherrn, hing.«
»Gut, Wamba,« antwortete Cedric, »ich nehme den Vorschlag an auf eine Bedingung hin: tausche statt mit mir mit Lord Athelstane die Kleider.«
»Nein, beim heiligen Dunstan,« sagte Wamba, »das wäre nicht vernünftig. Es sind gute Gründe vorhanden, daß der Sohn von Ohnewitz den Sohn Herewards rette, aber wenig Weisheit wäre daran, wenn er für einen sterben wollte, dessen Väter ihm fremd sind.«
»Schurke!« rief Cedric. »Die Väter von Athelstane waren Herrscher von England!«
»Sie mögen gewesen sein, was sie wollen,« versetzte Wamba, »der Hals sitzt mir zu fest auf'm Nacken, als daß ich ihn mir um ihretwillen möchte zusammenschnüren lassen. Also müßt Ihr, mein guter Herr, mein Anerbieten annehmen, oder ich gehe aus diesem Kerker so frei wieder raus, wie ich reingekommen bin.«
»Der alte Baum mag verwelken,« sagte Cedric, »wenn nur die Hoffnung des Waldes gerettet wird. Rette den edeln Athelstane, mein treuer Wamba, das ist die Pflicht eines jeden, in dessen Adern sächsisches Blut rollt. Wir beide wollen dann zusammen hierbleiben und der Wut unserer Unterdrücker bis zum Äußersten Trotz bieten, er aber mag frei und mit heiler Haut den Mut unserer Landsleute erwecken und zur Rache für uns aufrufen.«
»Nicht also, Vater Cedric!« sagte Athelstane und ergriff ihn bei der Hand, denn wenn er zum Handeln aufgemuntert wurde, so waren seine Handlungen und seine Denkweise fast immer seiner hohen Abkunft würdig. »Nicht also,« fuhr er fort, »lieber wollt ich in diesem Gemach eine Woche lang keine andere Speise genießen als das karge Brot des Gefangenen und kein anderes Getränk begehren als Wasser, ehe ich Gebrauch machen würde von der Liebe dieses Sklaven zu seinem Herrn.«
«Ihr Herren, Ihr nennt euch weise!« fiel Wamba ein, »und mich nennt ihr 'nen verrückten Narren, aber, Onkel Cedric und Vetter Athelstane, der Narr soll diesen Streit unter euch entscheiden und euch die Mühe ersparen, euch Komplimente untereinander zu machen. Ich bin gekommen, um meinen Herrn zu retten und der will nicht gerettet sein – also geh ich wieder heim. Ein Liebesdienst kann nicht aus einer Hand in die andere gehen, wie 'n Weberschiff oder 'n Fangball. Ich lasse mich für keinen anderen hängen als für meinen eingeborenen Gebieter.«
»So geht denn, edler Cedric,« sagte Athelstane. »Laßt diese Gelegenheit nicht vorübergehen. Wenn Ihr draußen seid, so könnt Ihr vielleicht Freunde zu unserer Hilfe aufrufen. Wenn Ihr hierbleibt, so sind wir alle verloren.«
»Und ist Aussicht vorhanden, daß wir draußen Hilfe finden?« fragte Cedric den Narren.
»Aussicht genug,« antwortete der Narr. »Ich sag Euch, zieht meine Kutte an, und Ihr habt'n Generalsrock an. Draußen stehen fünfhundert Mann, und heute morgen noch war ich einer ihrer Anführer. Meine Narrenkappe 'n Helm, mein Stock 'n Kommandostab. Na, wir werden ja sehen, ob sie klug dran taten, daß sie sich gegen den Narren einen Weisen eintauschten. Was sie an Besonnenheit gewonnen haben, setzen sie vielleicht an Tapferkeit wieder zu. So lebt denn wohl, Herr! Seid barmherzig gegen den armen Gurth und seinen Hund Packan und laßt in der Halle von Rotherwood meine Schellenkappe aufhängen zum Andenken, daß ich mein Leben ließ für meinen Herrn, recht wie ein treuer –
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