Ivanhoe
Narr.«
Der Ton des letzten Aktes schwankte zwischen Ernst und Scherz. Dem alten Cedric standen Tränen in den Augen. »Dein Andenken soll heilig gewahrt bleiben,« sagte er, »so lange noch Treue und Liebe auf Erden Wert haben. Aber ich hoffe, ich finde Mittel und Wege, Rowena zu retten und Euch, edler Athelstane, und auch dich, mein armer Wamba, ich will in diesem Stück nicht hinter dir zurückstehen.«
Nun wurden die Kleider getauscht – da fühlte Cedric plötzlich einen Zweifel in sich aufsteigen. »Ich verstehe keine Sprache weiter, als meine Heimatzunge,« sagte er, »und soll ich mich als frommer Bruder benehmen?«
»Zwei Worte machen die ganze Kunst aus,« sagte Wamba: »Pax vobiscum. Das gibt auf alle Fragen Antwort, Ihr mögt kommen oder gehen, essen oder trinken, Segen oder Fluch sprechen – mit Pax vobiscum kommt Ihr durch alles. Es ist für den Mönch so brauchbar, wie der Besenstiel für die Hexe oder die Wünschelrute für'n Zauberer. Sprecht nur in so tiefem ernstem Tone: Pax vobiscum! Dem kann keiner widerstehen: Wachen und Hüter, Ritter und Knappen, Männer zu Roß und zu Fuß – keiner kann diesem Zauber trotzen. Ich denke, wenn sie mich morgen hängen wollen – und das ist wohl anzunehmen – so versuch ich's nochmal, ob ich bei dem Vollstrecker des Urteils nicht mit dem Pax vobiscum was erreiche.«
»Wenn dem so ist,« sagte Cedric, »so hätte ich das Priestertum schnell begriffen. – Pax vobiscum! Das werde ich wohl behalten. – Edler Athelstane, lebt wohl, und auch du, mein armer Bursch, dein Herz würde selbst einem schwächeren Kopfe noch als dem deinen Ehre machen. – Ich werde euch retten oder wiederkommen und mit euch sterben. Das königliche Blut unserer Sachsenkönige soll nicht vergossen werden, solange noch Leben in meinen Adern ist, und kein Haar soll diesem braven Jungen gekrümmt werden, der für seinen Herrn das Leben wagte, wenn es Cedric hindern kann. – Lebt wohl!«
»Lebt wohl, edler Cedric,« sagte Athelstane, »und bedenkt, daß ein Ordensbruder ruhig Erfrischungen annehmen darf, die ihm angeboten werden.«
»Lebt wohl, Onkel!« setzte Wamba hinzu, »und denkt an das Pax vobiscum!«
Mit derlei Ermahnungen machte sich Cedric auf den Weg. Es währte nicht lange, so hatte er Gelegenheit, die Kraft seines Zauberwortes zu erproben, denn an einem niedrigen gewölbten Gange begegnete ihm eine weibliche Gestalt, die ihn aufhielt.
»Pax vobiscum!« sprach der verkappte Mönch und wollte in aller Eile vorbeischlüpfen, aber eine sanfte Stimme antwortete ihm: »Et vobis – quaeso domine reverendissime pro misericordia vestra –«
»Ich bin ein wenig taub,« versetzte Cedric auf gut sächsisch und murmelte in seinen Bart: »Verwünscht sei der Narr und sein Pax vobiscum! Gleich beim ersten Wurfe habe ich meinen Spieß verloren.«
Es war aber zur damaligen Zeit keine Seltenheit, daß die Priester für Latein ein taubes Ohr hatten, und das wußte die Person, die mit Cedric sprach, recht wohl. »Ich bitte Euch um Himmels willen, ehrwürdiger Vater,« fuhr sie in sächsischer Sprache fort, »seid so gut und laßt Euern geistlichen Trost einem verwundeten Gefangenen, der hier im Schlosse liegt, zukommen und habt Mitleid mit ihm, wie es Euer Stand erheischt. Ihr sollt nie eine gute Tat getan haben, die Euerm Kloster so großen Vorteil gebracht hätte.
»Tochter,« antwortete Cedric in großer Verlegenheit, »meine Zeit erlaubt mir nicht, in diesem Schlosse mein heiliges Amt zu üben – ich muß auf der Stelle fort, denn Tod und Leben hängen davon ab, daß ich mich beeile.«
»Und trotzdem,« fuhr die Bittende fort, »muß ich in Euch dringen, laßt um Euers Gelübdes willen den Armen nicht ohne Beistand.«
»So möge denn der böse Feind mit mir davonfliegen und mich mit Odins und Thors Seelen in Jfrin lassen,« versetzte Cedric außer sich, und er hätte wahrscheinlich in dem gleichen Tone, der seinem heiligen Stande ganz entgegen war, noch weitergesprochen, wenn nicht ein altes Weib herzugetreten wäre, das mit dem rauhen Krächzen einer Turmeule das Gespräch unterbrach.
»Wie, Schätzchen?« sagte sie zu der weiblichen Gestalt, »ist das der Dank für meine Nachsicht, daß ich dir erlaubt habe, aus deiner Gefangenenzelle oben herauszugehen? Treibst du den heiligen Mann dazu, daß er so unfeine Reden gebraucht, um eine Jüdin los zu werden?«
»Eine Jüdin?« rief Cedric, froh, daß er einen Vorwand fand, sich loszureißen. »Laß mich gehen, Weib, und halte
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