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Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen

Titel: Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Klingelbeutel.
    «Christoph, du musst heute noch den Kurier losschicken, hörst du? Ich brauche das Kleid bis morgen früh. Sonst platzt die Hochzeit. Christoph?»
    Jetzt hat er einfach aufgelegt. So ein Drecksack. Mein Atem geht schneller. So tief saß ich noch nie in der Tinte. Die Hochzeit können wir nicht mehr absagen. Und wie soll ich Roni erklären, dass ihr Kleid hin ist? Meine Gedanken überschlagen sich. Vielleicht könnte einer meiner Freunde nach Paris fahren und anonym das Kleid kaufen? Nein, Christoph kennt sie vom Junggesellenabschied. Ein anderes Modell? Dafür ist es zu spät. Was mache ich bloß?
    «I ko dia huifa.» Der Mechaniker hat sich vor mir aufgebaut.
    «Wie denn?»
    «Des weast scho seing. Aber zerscht amoi wui i wos dafia hom.»
    Bin ich eigentlich nur von Irren und Erpressern umgeben? Was will der Typ denn noch?
    Ich zücke mein Portemonnaie. Aber der Mann winkt ab. «Na, ko Geid ned.»
    Ach du je. Ich werde hier nichts Perverses machen – schon gar nicht am Tag vor meiner Hochzeit. Der Mechaniker grinst. «I bring dia des Kleid, wennst a Wort auf boarisch sogst.»
    Das alte Preißn-Spiel. Kenn ich schon, da kann ich nur verlieren. Ich frage trotzdem: «Welches denn?»
    «Sogst amoi Oachkatzlschwoaf!»
    Ich traue meinen Ohren kaum. Aber meinem Mund noch viel weniger. «Das ist doch albern», sage ich und schaue hilfesuchend zu Jochen. Aber der zuckt nur mit den Schultern. Dann nickt er mir zu.
    «Das schaffste, du hast das im Blut! Dein Vater ist doch auch ’n Bayer! Ganz langsam sprechen, eine Silbe nach der anderen.»
    Ich schließe die Augen und versuche an unser Vorstellungsgespräch mit Walli zu denken. Was bedeutete das Wort nochmal? Richtig, Eichhörnchenschwanz. Also ganz ruhig jetzt. «Eich» heißt «Oach», «Hörnchen» nennen die hier «Katze», nein «Katzl» – oder «Kotzl»? Egal, das vernuschele ich einfach. Bei «Schwanz», also «Schweif», wird wieder das «ei» zum «oa», aber Vorsicht! Das «a» nicht zu lang ziehen, es ist eine kurze Silbe. Ich stelle mir das Wort vor: «Oachkatzlschwoaf». Dann denke ich an Knoll, wie er mit mir in seinem Garten sitzt, auf ein Eichhörnchen deutet und den Mund öffnet. Ich versuche mich in ihn hineinzuversetzen, direkt in seine Stimmbänder. Vor meinem inneren Auge sehe ich die Worte in Lautschrift. Ganz klar. Ich öffne die Augen.
    «Oachkatzlschwoaf!»
    Kam das eben aus meinem Mund?
    «Jawoll!» Jochen zieht die rechte Faust zur Hüfte. «Alter, das klang voll bairisch.»
    Auch der Mechaniker schaut mich überrascht an. Ich beginne wie Rumpelstilzchen von einem Bein aufs andere zu hüpfen und rufe: «Oachkatzlschwoaf, Oachkatzlschwoaf. I’m in love with Oachkatzlschwoaf!»
    Der Mechaniker klappt den Mund wieder zu und winkt ab. «Passt scho.» Dabei sieht er mich an, wie mein Cousin Mike es immer getan hat. «Mit Autos hosts ned so, ge?»
    Er legt mir seine Hand auf die Schulter und schiebt mich zum Panda, dessen Beifahrertür offen steht. Dann lässt er mich los, drückt den Sitz nach vorn, beugt sich zur Rückbank, zieht oben an der Lehne einen Hebel runter und klappt die Bank um. Jetzt greift er über das Polster unter die Bank. Und zieht das Kleid heraus.
    Es ist unversehrt! Auf der Plastikhülle klebt zwar Öl, aber der Stoff darunter hat offenbar nichts abbekommen. Ich schüttele den Kopf und starre das Kleid an. Weil mir die Worte fehlen, sage ich einfach: «Oachkatzlschwoaf.» Mein Herz schlägt schneller vor Freude. Nicht zu fassen, das Kleid ist noch ganz!
    Aber bevor ich mich mit der Beute vom Acker mache, will ich noch eines wissen: «Warum lasst ihr Bayern uns Zugereiste eigentlich immer dasselbe Wort sagen? Ist doch langweilig. Ihr sagt doch auch nicht immer das Gleiche.»
    Der Mechaniker grinst. «Ja mei. Mogst a Hoibe?»
    Ist nett gemeint, aber wir müssen leider zurück. «Sein Schwiegervater wartet», erklärt Jochen. Der Mechaniker schaut mich an und zwinkert.
    «Sogst am Knoll an Gruß vom Schraubertoni, ge!»

HIMMEHERGOTTZEITN!
    (hochdeutsch: Du lieber Himmel!)
    Laute Schüsse reißen Roni und mich aus Reginas Gästebett. Ein Blick auf den Wecker: Es ist sechs Uhr morgens. Wahrscheinlich hat mein Vater einen Hirsch in den Garten getrieben und vor der Stechpalme gestellt. Ich zähle sieben Salven – der dürfte hin sein.
    Wir stehen sicherheitshalber auf und sehen nach. Als Roni den Vorhang zur Seite schiebt, schmettern uns Pauken und Trompeten aus den Latschen: Vor dem Haus hat sich Die Obrigkeit

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