Ja Mei - Wie Ich Lernte, Die Ehe Zu Schliessen
ich mache mit der Hand die «Ball-flach-halten»-Geste.
Es klingelt einmal, sofort ist eine aufgeregte Frauenstimme dran. «Woher haben Sie diese Nummer?»
Ich ignoriere die Frage und sage meinen Text auf. Daraufhin wird die Assistentin so freundlich, als hätte ich ihr versprochen, sie dürfe von nun an auch kreativ arbeiten. Sie reicht mich weiter.
«Jochen, ich bin es, tut mir leid, dass ich dich in deiner Konferenz anrufe, aber ich stecke mächtig in der Klemme.»
Seine Stimme klingt konzentriert-geschäftig. «Ja, ich verstehe.»
«Nunja hatte einen Unfall, sie liegt im Krankenhaus, das Brautkleid ist hin, und ich sitze hier bei Knoll und weiß nicht mehr, was ich machen soll.» Meine Kehle schnürt sich zu.
«Interessant. Gut, dass Sie gleich angerufen haben. Wir werden das berücksichtigen.»
«Jochen! Ich schaffe das hier nicht allein.»
Einen Moment ist es still. Dann höre ich die vertraute Stimme meines besten Freundes.
«Du bist ja auch nicht allein. Wo liegt Nunja?»
«Im Krankenhaus Fürstenfeldbruck.»
«Ist das in Bayern?»
«Ja.»
«Wir treffen uns da in einer Stunde.» Er legt auf.
Roni kommt zu mir und will wissen, was los ist. «Du machst ein Gesicht wie sieben Tage Föhnwetter.»
Ich nehme sie in den Arm. «Mach dir keine Sorgen», beginne ich, und sofort macht Roni sich Sorgen. «Nunja hatte einen Unfall, aber es geht ihr gut. Also fast gut. Es ist nichts Schlimmes, glaube ich.»
Roni sackt zusammen, ich halte sie. Dann erzähle ich ihr die ganze Geschichte. Sie will sofort zu ihrer Freundin ans Krankenbett. An ihr Kleid denkt sie nicht. Und auch nicht an die Verwandtschaft. Ich erkläre Knoll die Situation.
«Ja mei», sagt er und deutet auf meine Familie. «Die san do bei uns guad aufghobn. Machts hi, es pressiert.»
«Danke, Knoll.»
Während mein zukünftiger Schwiegervater Ronis zukünftigen Schwiegereltern die Hiobsbotschaft überbringt, steigen wir ins Auto. Ein Blick auf die Uhr: Es ist vier Uhr nachmittags, am Tag vor unserer Hochzeit.
ZU FRIA FIAN BOANDLKRAMA
(hochdeutsch: Zu jung, um zu sterben)
Wir laufen so schnell durch die sterilen Krankenhausgänge, dass unsere Sohlen keine Zeit haben, auf dem Linoleum zu haften. Nunja liegt in einem weißgetünchten Doppelzimmer. Jan sitzt neben ihr auf dem Bett und hält ihre Hand. Die andere hängt am Tropf.
Als sie Roni entdeckt, treten Nunja Tränen in die Augen. Roni schlägt die Hände vor den Mund, breitet sie aber gleich wieder aus. Die beiden liegen sich schluchzend in den Armen. Wir lassen die Frauen einen Moment allein.
Vor dem Zimmer steht eine Metallbank für die Angehörigen. Wir setzen uns drauf.
«Nunja steht noch unter Schock», erzählt Jan. Er hat mit den Ärzten gesprochen. Sie raten ihr dringend davon ab, morgen zu unserer Hochzeit zu gehen. «Aber du weißt ja, wie dickköpfig sie ist.»
«Wahrscheinlich ist es am besten, wenn wir die ganze Sache absagen», schlage ich vor. «Keine Trauzeugen, kein Kleid, keine Rede, und unsere Eltern machen sich nur Gedanken um Reginas Garten.»
Jan, der eh gerade im Hand-halten-und-trösten-Geschäft ist, nimmt jetzt auch meine Rechte. «Ja mei», sagt er. «Ja mei.» Dann zieht er ein Stück Papier aus der Tasche. «Vielleicht ist das Kleid ja doch noch zu retten.»
Trotz Unfall, Schreck und Schleudertrauma hat Nunja sich von der Bahre aus noch die Karte des Abschleppdienstes geben lassen. Ich nehme sie wie ein Glückslos entgegen.
Jan verspricht, Roni zu erklären, was ich vorhabe, und sie zurück nach Dumbling zu fahren. Ich verschwende keine Zeit, bedanke mich und renne los. Im Gehen wähle ich Jochens Nummer. Doch der gewünschte Gesprächspartner ist zurzeit persönlich leider nicht erreichbar. Ich renne mit quietschenden Sohlen durch die Gänge zum Ausgang – vorbei an Ärzten, Schwestern, Patienten und Angehörigen, durch die Schiebetür nach draußen, weiter zum Parkplatz. Wo habe ich nochmal den Wagen –? Ich übersehe ein Taxi, der Fahrer steigt voll in die Eisen, ich spüre die Stoßstange an meiner Jeans und muss mich auf die Motorhaube stützen.
Der Fahrer, ein junger schwarzhaariger Typ, fuchtelt aufgebracht hinter der Windschutzscheibe herum. Neben ihm sitzt: «Jochen!» Er schaut mich an, nickt und drückt dem Mann einen Geldschein in die Hand, woraufhin der sofort mit dem Fuchteln aufhört.
Jochen steigt aus und kneift die Augen gegen das Sonnenlicht zusammen. Er sieht blass aus. Aber er grinst.
«So, mein Lieber. Hast du einen
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