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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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ein
    bißchen enttäuscht fühlte, immer Jack Holborn sein
    zu müssen, aber dann fand ich es doch ganz annehm-
    bar und freute mich beinahe, daß ich meinen Namen
    nicht ändern mußte, an den ich mich so gewöhnt hat-
    te.
    Daß meine Mutter nur Hausdame war, machte mir
    überraschend wenig aus, wenn man bedenkt, wie
    hoch sich meine Hoffnungen manchmal erhoben hat-
    ten. Ich schob das auf die Angst, die ich einmal hatte, mit einer gewissen Mrs. London zu eng verwandt zu
    sein.
    Das einzige, das meine Freude ein wenig beein-
    trächtigte, war der Umstand, daß mein Auftritt bei
    ihr nicht so großartig verlief, wie ich ihn mir immer 279
    gewünscht hatte. Gewiß, ich hatte meine feinen
    Freunde, die mir Glanz verliehen, aber davon abgesehen, brachte ich keinerlei materielles Glück.
    Ich überlegte, daß wir uns wahrscheinlich irgend-
    wo in ziemlich bescheidenen Verhältnissen niederlassen würden, die dann und wann von den Besuchen
    zweier reicher Freunde verschönt werden würden.
    Das tröstete mich etwas, und ich gab mich der Hoff-
    nung hin, daß meine Mutter sich Lord Sheringham und Mister Trumpet ebenso rückhaltlos anschließen würde wie ich, und daß diese ihrerseits für sie schwärmen würden. Meine eigenen Gefühle in dieser Beziehung
    wagte ich mir gar nicht einzugestehen.
    »Es hätte der Weihnachtstag sein sollen«, sagte
    Mister Trumpet bitter, als wir uns dem Haus näher-
    ten.
    »Warum, Mann, warum? Was ist jetzt der Unter-
    schied?«
    »Weil ich ein Geschenk für ihn habe. Es hätte war-
    ten sollen. Dann wäre es passender gewesen.«
    »Dann gib’s ihm morgen.«
    »Nein, ich habe versprochen, daß er’s kriegen soll, wenn’s am meisten ins Gewicht fällt. Und das, finde ich, ist jetzt … Hier, Jack, ein Weihnachtsgeschenk –
    einen Tag zu früh, aber dennoch ein Weihnachtsge-
    schenk – von – du weißt von wem. Nimm es und sei
    glücklich.«
    Ziemlich gereizt und linkisch steckte er mir etwas
    in die Hände. Das Gefühl von grobem Segeltuch war
    zuerst verwirrend und dann herzzerbrechend ver-
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    traut. Ich konnte beim besten Willen eine ganze Flut von Tränen nicht zurückhalten. Es war ein sehr rührender Augenblick, an den unseligen Mister Morris
    erinnert zu werden.
    Mister Trumpet hatte mir gerade den vergessenen
    Juwelenbeutel des kleinen Segelmeisters gegeben.
    Nicht so reich wie der Schatz, den ich einmal vergeu-det hatte, aber immerhin etwa eine halbe Million
    Pfund wert.
    »Er sagte, ich solle es dir geben, wenn du genug
    Verstand hättest, um davon einen guten Gebrauch zu
    machen. Ich glaube nicht, daß der Tag schon gekom-
    men ist – oder je kommen wird, aber ich hoffe, daß
    eine gewisse Dame umsichtiger sein wird als ihr
    Sohn.«
    »Du hättest – hm – warten sollen, Trumpet«, hörte
    ich Lord Sheringham flüstern. »Der Junge ist vor
    Rührung ganz außer sich. Seine Augen werden
    furchtbar rot und geschwollen sein, wenn er reingeht, um sie kennenzulernen.«
    XXVII
    Lord Sheringham ließ sich auf das beste empfehlen
    und bat um die Vergünstigung, den Hodges seine
    Aufwartung machen zu dürfen. Sie waren von der
    Großartigkeit des Besuchers riesig erstaunt und sozusagen überrollt. Lady Hodges, eine dünne, nervöse
    Person mit dichtem rotem Haar, das von einer Kappe
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    gebändigt wurde, war wild vor Erregung und teilte
    ihre Aufmerksamkeit zwischen der Karte seiner Lord-
    schaft und dem großen Mann selbst. Denn schließlich konnte Lord Sheringham bald wieder fort sein, aber
    seine Karte würde für immer bleiben.
    Sir Bertram dagegen widmete sich Mister Trumpet
    und mir, da er es bequemer fand, einen bloßen »Mi-
    ster« und »Master« von oben herab zu behandeln. In
    wunderbar kurzer Zeit erfuhren wir, wie groß sein
    Park war, wie zahlreich die Dienerschaft und wie
    streng sie unter Zucht gehalten wurden.
    »A-ah!«
    Einen Augenblick dachte ich, es sei eine aufge-
    scheuchte Dohle, aber es war Lady Hodge, die er-
    fuhr, warum wir Besuch machten. Ein sehr vorneh-
    mer, im Innersten verletzter Schrei bezeichnete ihre Aufnahme der Neuigkeit. Sie war ganz dunkelrot geworden – eine sehr ungewöhnliche Farbe für jemand
    von ihrem Teint – und starrte mich furchtbar an.
    »Sir Bertram – oh, Sir Bertram. Weißt du, weshalb
    Seine Lordschaft gekommen ist?«
    »Nein, weiß ich nicht, Gnädigste. Ich habe es dir
    überlassen, das rauszufinden. So was kannst du gut.
    Dafür hast du eine Nase.«
    »Wir dachten, er sei durch den Schnee aufgehalten
    worden, nicht

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