Jack Holborn unter den Freibeutern
wieder vernahm
man das scharfe Schlagen eines Segels, das sich leert und dann einen neuen Bauchvoll Wind übernimmt.
Das wenige Licht, das durch die Ritzen des Luken-
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deckels in die Schwärze drang, konnte mir nur erzählen, daß es Tag war, trotzdem sah ich hauptsächlich mit meinen Händen – was mich sehr schmerzhaft in
die Irre führte … Wir rollten ziemlich stark, und obwohl ich mich mit Armen und Beinen festhielt, be-
gann mein Magen dem Gang der Wellen zu folgen.
Das nennt man Seekrankheit, und es ist das Schlimm-
ste in der ganzen Welt. Ich lag im stinkenden Dunkel des Laderaumes und betete um den Tod. Oben hörte
ich die Seeleute fluchen und schreien und singen, und ich verwünschte sie für ihre gute Laune. Am lautesten von allen hörte ich die Stimme des Kapitäns, der mit windiger Zunge die Charming Molly ihres Wegs zu
pfeifen suchte. Wenn er über das Deck kam und ging, bemühte ich mich, der Stimme Gesicht und Gestalt zu geben, denn ich stellte mir vor, daß ich sehr bald vor ihm stehen und mich für meine gesetzwidrige Gegenwart verantworten müßte. Nach Lautstärke, Ton und
Kraft stellte ich mir den Mann sehr groß und breit
vor, mit Fäusten wie Stiefel und einem Gesicht wie ein Hammer. Und nach allem, was ich weiß, wird er auch
an die drei Meter groß und entsprechend breit gewe-
sen sein: denn ich habe diesen unglückseligen Mann
nie zu Gesicht gekriegt, obwohl er zuweilen nur um
Armeslänge von mir entfernt stand …
Die Dünung nahm ständig zu und mit ihr meine
Seekrankheit, so daß ich zuletzt nur noch um ein
schnelles Ende meiner Leiden ächzen konnte. Ich hör-te den Kapitän schreien, man solle festmachen, das
Vorsegel und die Topsegel einholen, doch obgleich
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ich den Himmel nicht sehen konnte, muß es sehr
dunkel geworden sein, denn die Tageslichtritzen
wurden dämmerig und zeigten ein bedrohliches Grau.
Die Seeleute sangen nicht mehr, und zwischen uns
und dem Schweigen stand einzig die Stimme des Ka-
pitäns, die immer noch schrie. Sie klang sehr mutig da draußen, ganz allein und bereit, den Kampf mit
Wind, Meer und Himmel aufzunehmen; sie klang ge-
rade so, als seien die Chancen gleich verteilt.
Dann sprang uns der Sturm an, der wie ein wildes
Tier auf uns gelauert hatte. Man sagt, ein Sturm auf See sei das schlimmste aller Übel. Und das stimmt.
Wäre mir nicht schon die ganze Zeit sterbensübel
gewesen, wäre ich bestimmt jetzt vor Angst gestor-
ben. Die Wogen wurden Felsbrocken und donnerten
gegen unsere Flanken, um eingelassen zu werden,
während sich eisiges Wasser durch die oberen Fugen
ergoß – obwohl selbst ein Schiffsbaumeister in diesem Düster kaum gewußt hätte, was oben und unten war:
denn ich schwöre, daß die Charming Molly oft
ganze Minuten lang den Kiel gen Himmel reckte!
Eine gute Halbzeit des Sturmes muß mein Magen
jedes Mahl hochgebracht haben, das ich in meinem
Leben gegessen habe; eine schlechte Halbzeit lang betete ich um ich weiß nicht was; und die schlimmste
Halbzeit (ein Sturm kümmert sich nicht um Arithme-
tik und hat so viele Hälften, wie er will) lag ich fast tot von einem Schlag jenes undankbaren Sackes, den
ich befreit hatte, um mir ein Kissen zu machen.
Als ich wieder zu mir kam, war ich naß und
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schwach und innen und außen voller Schmerzen. Die
Bewegung des Schiffes hatte sich beruhigt, und ich
dachte, Gottes Zorn gegen die Welt hätte nachgelas-
sen. Ich hörte wieder Schritte über mir und hörte
auch die Seeleute wieder singen.
»Da geht er«, hörte ich den Kapitän sagen, »wie
ein großer schwarzer Tiger am Himmel. Seh’n Sie
ihn, Mister? Langer Schwanz und eine große Tatze,
die runtertropfen ins Meer. Mörderische Bestie!« Der Sturm war an uns vorbei.
Wir fuhren eine Stunde oder mehr auf unserem
Kurs, während ich mir überlegte, wie ich mich dem
Kapitän und der Mannschaft am besten bekanntma-
chen sollte. Ich war genügend erholt, um Hunger und Durst zu haben, und sehnte mich nach dem Anblick
von See und Himmel. Obwohl ich kaum etwas zu er-
zählen hatte, blieb mir doch das Wie in der Kehle
stecken. Als Träger lediglich eines Kirchspielnamens war ich eine armselige Zugabe zur Besatzung eines
jeden Schiffes. Ich dachte daher ein wenig über meine verschwundene Mutter nach und ob sie wohl noch
lebte. Das war kein neuer Gedanke, denn er war mir
viele Male bei meinem Flickschuster gekommen …
Ich stellte mir vor, ich sei von edlem Blut, aus ir-gendeinem
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