Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Sachen, ihre Hosenbeine flatterten. Vor ihnen lag das steile Dach des Kirchenschiffs. Ein schmaler Gang führte daran entlang. Jack schloss die Luke, so gut es ging, und trat auf den Gang.
»Nimm meine Hand«, sagte er zu Jo-Jo.
Der Kleine riss die Augen auf und schüttelte den Kopf. »Ich will nicht. Ich hab Angst.«
»Ist okay. Ich halt dich fest.« Er streckte die Hand aus und wartete darauf, dass sein jüngeres Ich sich einen Ruck gab, was Jo-Jo schließlich auch tat.
Der Himmel leuchtete auf, als ein mächtiger weißer Blitz zuckte, dicht gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag. Jack hielt sich am Geländer fest und zog instinktiv den Kopf ein. Jo-Jo zuckte zurück und schrie laut auf. Seine kleinen Finger zerrten an Jacks Hose.
Jacks Augen stellten sich wieder auf die Dunkelheit ein, und er sah, dass sie auf dem Gang nicht allein waren. Ihm sackte das Herz in die Hose. David stand vor ihnen. Der alte David. Elektrizität brodelte über seiner offenen Hand fläche.
»Was nun, Jack? Du kannst nirgendwo mehr hin.«
»Was ist mit dir passiert?«, rief Jack über die anwachsenden Gewitterwolken hinweg.
»Rouland!«, schrie David. »Rouland hat mir gezeigt, wo es langgeht, Jack.« Die Kugel aus Elektrizität in Davids Hand wurde immer größer.
»Aber du solltest mein Opa sein! Du hast deine eigene Tochter ermordet!«
»Nicht ganz«, rief eine Stimme.
»Mum!«, keuchte der kleine Jo-Jo.
Jack sah ehrfürchtig nach oben: Dort war seine Mutter, immer noch am Leben, aber mit schweren Verletzungen. Sie schwebte über der Kathedrale in der Luft, und Lichtbogen fuhren aus den Wolken in ihren Körper. Ihre Augen brannten, und sie glühte am ganzen Leib. Einen Moment lang hielt Jack sie für einen Engel.
»Was ist denn mit meiner Mum?«, fragte Jo-Jo unsicher. »Sie sieht komisch aus.«
»Du!«, brüllte David seine Tochter an. »Wieso stirbst du nicht einfach?«
»Jack, Jo-Jo, bleibt weg hier«, warnte Catherine. Ihre Stim me klang wie gezähmter Donner. »Sein Wille gehört ihm nicht. Rouland hat ihn unter Kontrolle.«
Plötzlich kochten Davids Bosheit und Verärgerung über, und er schoss eine gewaltige Energiekugel nach der anderen ab. »Mich kontrolliert niemand!«
Catherine warf sich zwischen die Jungen und David und fing die Lichtbogen mit ihrem Körper ab. Die Elektrizität durchströmte sie und sammelte sich in ihren Handflä chen. Sie streckte die Hände vor und bebte vor Zögern. »Ich habe versucht dich zu retten, Dad, ich hab’s wirklich versucht.«
»Ich brauche dein Mitleid nicht!«, rief David und schleuderte seiner Tochter eine weitere Salve von Blitzen entgegen. Catherine konterte und ließ die gesammelte Energie zu ihm zurückströmen. Das Dach wurde von gelbem Licht überflutet, bis man keine Details mehr sehen konnte. Als das intensive Glühen nachließ und der Rauch weggeweht wurde, sah Jack seinen Opa. Er schwelte von dem Blitzschlag am ganzen Körper und schwebte von dem Gang hinunter, zog sich mit Hilfe der Lichtbogen aber wieder zurück nach oben und stürzte sich auf Catherine.
»Mum!«, schrie Jo-Jo erneut, und Tränen strömten über sein gequältes Gesicht. Jack schlang seine Arme um ihn und schirmte ihn von dem Licht ab.
Blitz um Blitz erhellte das Dach, und Catherine und David waren in dem weißen Licht nicht mehr zu erkennen. Funken regneten auf Jack und Jo-Jo nieder.
Trotzdem standen die beiden dort wie angewurzelt, und Jack merkte, dass er jetzt auch weinte. Seine Mutter kämpfte für ihn, und sie war verletzt. Er wollte ihr helfen, wollte sie beschützen, doch er konnte nur zusehen.
Dann sprach ihre Stimme zu ihm, in seinem Kopf: Geht zurück, Jack.
Er schirmte Jo-Jo ab, so gut er konnte, und rannte zu der kleinen Luke zurück. In demselben Moment wurde die Luke gesprengt. Aus der rauchenden Öffnung kam eine Paladinin geklettert, der rasch eine zweite folgte, dann eine dritte. Jack erstarrte.
Die vorderste Paladinin richtete sich auf und rannte auf die beiden Jungen zu. Beim Näherkommen öffnete sie ihren Helm, und Jack erkannte Captain de Vienne. Ein mechanischer Apparat ersetzte ihre abgetrennte Hand. Ein neues Schwert war aufgesteckt und rotierte geräuschvoll. Mit einem herausfordernden Schrei richtete sie die kreiselnde Klinge auf Jack.
Eine gewaltige elektrische Entladung schlug vor Captain de Vienne und ihren Schwestern in das Dach ein und warf sie mit brutaler Wucht zur Seite. Zwei Ritterinnen stürzten vom Gang über die niedrige Brüstung und
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