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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
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Dunkelheit.
    War das eine Stimme?
    Halte durch, Jack, halte durch.
    Er konnte die Worte hören, aber sie waren weit weg, wie seine eigenen abstrakten Gedanken, die von der Mauer des Leids widerhallten, die ihn umgab. Er war wieder ein Kind, mit einer Klarheit, die ihm den Atem nahm. Er war sieben Jahre alt, und ihm tat alles weh.
    Wehr dich. Kämpfe.
    Er war sieben, ihm taten die Finger weh, und sie machten ein komisches Geräusch, wenn er versuchte sie zu bewegen. Er wollte zu seiner Mum.
    Jack sah in diese Erinnerung hinein, als wäre sie etwas, das man anfassen konnte. Er sah seine Mutter neben sich auf dem Boden knien, ihr schönes Gesicht über ihm, so nah, dass ihre Haare über seine Wange strichen und ihr Atem warm über seine Augen. Er spürte in seine Nerven hinein, in seine Zehen. Er war kleiner, bloß ein Kind. Er lachte, dann erfüllte ein schleichender Schmerz seine Lunge, und sein Gesichtsfeld verschwamm zu einem roten Gewimmel.
    Ist schon gut, Jo-Jo, ich rette dich.
    Wer redete da? Er konnte es nicht sagen. Die Bilder kamen in Bruchstücken, ohne Zusammenhang und mit fehlender Zeit dazwischen.
    Er sah, wie seine Mutter ihre Hände auf seine Brust legte, sie drückte zu, und seine gebrochenen Rippen schrien um Gnade. Warum tust du mir weh?
    Keine Sorge, ist gleich vorbei.
    Der Druck in seiner Brust nahm zu, er versuchte zu schreien, und sein Sehvermögen verschlechterte sich. Dann flutete eine angenehme Wärme seine Lunge, wie ein heißes Bad an einem Winterabend. Die Schmerzen waren immer noch da, aber sie waren jetzt erträglich. Ein heller Fleck vor seinen Augen wurde zum Gesicht seiner Mutter, und er begriff, dass es ihre Stimme war, die er gehörte hatte.
    Die Macht der Rose heilt dich gerade.
    Die Wärme breitete sich in seiner Brust aus. Eine seiner Rippen krachte, und ein weißglühender Schmerz überwältigte ihn. Die Schmerzwelle ließ nach, und er konnte spüren, dass es seiner Rippe jetzt besser ging. Wieder traf ihn eine Schmerzwelle, dann noch eine, und jedes Mal richtete sich ein Knochen.
    Seine Lunge leerte sich vom Blut, und die Nachtluft strömte hinein. Die Wärme breitete sich bis in seine zerschmetterten Beine aus, er hörte Krachen und Knacken und wusste, dass neue Schmerzen unterwegs waren. Er schloss die Augen.
    Denk immer daran, dass ich dich lieb habe, Jo-Jo.
    Er machte die Augen wieder auf; ihm drehte sich der Kopf. Sein Bewusstsein verschob sich. Er war jetzt nicht mehr sieben; er war wieder zwölf, mit gebrochenen Gliedmaßen, die entsetzlich wehtaten. So etwas hatte er noch nie gefühlt; es war so schrecklich, dass er seinen Tod herbei wünschte.
    Nein, Jack. Wünsch dir das nicht. Du hast viel zu tun. Du musst weiterkämpfen.
    Ich will nicht kämpfen, dachte er. Ich bin müde. Mir tut alles weh. Lass mich gehen.
    Nein.
    Seine Mutter tauchte vor ihm auf, erschöpft und müde, und sah ihn gequält an.
    Ich habe nichts mehr, das ich dir noch geben kann, außer eines. Ich gebe es dir jetzt, Jack. Du bist jetzt die Rose. Nutze sie gut, und sie wird dich bei Kräften halten. Missbrauche sie und du wirst von ihr vernichtet.
    Die Wärme traf seine Schultern, gefolgt von einer grässlichen roten Schockwelle. Sein Nacken krachte, so laut, dass ihm die Ohren wehtaten und sein Sehvermögen in tausend Farben zerfiel, sein Gesicht wurde eiskalt, dann glühend heiß. Schweiß rann ihm aus den Haaren. Die Wärme ließ nicht nach, sie strömte über seinen Schädel und drang in ihn ein.
    Wehr dich für mich, Jack. Kämpfe für mich. Ich hab dich lieb.
    Der Druck in seinem Kopf wuchs, schob sich von allen Seiten gegen sein Gehirn, bis es ihm nur noch erbsengroß vorkam. Er öffnete die Augen und sah seine Mutter, die von ätherischen Energiebändern umschlungen war, die pulsierten und sich beständig veränderten. Der Schmerz ließ nach, während er diesen wunderschönen Anblick in sich aufnahm. Er roch den frischen Duft von Blumen, der reiner war als alles auf Erden. Die Bänder tanzten zu ihrem eigenen Rhythmus und formten Gebilde um seine Mutter herum. Ein Umriss stach hervor, der wie ein fraktales Spiegelbild des Universums aussah.
    Es war der Umriss einer Rose.
    Jack sah staunend zu und wusste, dass er so etwas Wunder schönes nie wieder sehen würde. Aber es war mehr als ein Anblick; es war ein Ansturm von Sinneseindrücken. Musik erfüllte seine Ohren, die Musik der Anderswelt. Dies war die lebende Energie der Rose von Annwn, die nicht länger von seiner Mutter beansprucht

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