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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
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wurde.
    Die Farbranken veränderten ihre Richtung und stürzten auf ihn ein. Sie erfüllten sein Gesichtsfeld und veränderten ihn auf so viele Weisen, dass er sein ganzes Leben dazu brauchen würde, es zu verstehen. Er schloss die Augen.
    Jack fiel. Stürzte durch die Dunkelheit.
    Und dann hielt er an.
    Er begann aufzusteigen, langsam zunächst, dann immer schneller, bis die Dunkelheit mit solcher Geschwindigkeit an ihm vorbeiraste, dass sie zu einem blendenden Weiß wurde.
    Abrupt verblasste das Weiße im Nichts, und er fühlte sich allein und verlassen. Er konnte wieder Stimmen um sich her um hören, konnte den Boden unter sich spüren. Er roch Schwe fel in der Luft, schmeckte Rost auf der Zunge. Schließlich öffnete er die Augen und sah die gewaltige Fassade der Kathedrale hoch in den Himmel aufragen.
    Zögernd spürte er nach seinen Fingern und Zehen. Alles schien normal zu sein. Er sah zum Dach nach oben. Warum war er nicht längst tot? Dann kehrte ein Kaleidoskop von Bildern zu ihm zurück, von seiner Mutter und ihrem Geschenk der Rose. Er setzte sich rasch auf und sah sich um.
    Da waren Davey und Eloise, die sich um Jo-Jo kümmerten. Er wusste, dass sein jüngeres Ich nun ebenfalls unverletzt war, dass die Macht der Rose den Kleinen geheilt hatte.
    Übelkeit stieg in ihm auf. Seine Mutter hatte die Rose freigegeben, damit sie ihn retten konnte.
    Nun war er die Rose, wurde Jack sich bewusst.
    Jack stand vorsichtig auf und rechnete damit, dass seine Beine jeden Moment nachgaben. Er machte einen wackeligen Schritt nach vorn, dann noch einen und noch einen. Davey sah auf und rannte zu ihm, um ihn zu stützen.
    »Bin ich am Leben?«, fragte Jack.
    »Ja, du lebst. Aber …« Davey verstummte.
    Da sah Jack ein paar Meter weiter weg jemanden auf dem Boden liegen.
    »Mum?«
    Er eilte zu ihr und drehte sie herum, damit er ihr Gesicht sehen konnte. Sie war immer noch wunderschön, wie ein Engel, doch war alles Leben aus ihrem Körper gewichen. Jack hielt sie dicht an seine Brust gepresst und schrie auf. Er hatte nie Abschied von ihr nehmen können, nie wirklich angemessen um die Mutter trauern können, die er nicht kannte. Beim ersten Mal war er zu jung dafür gewesen. Nun wusste er, was er verlor. Sie hatte ihr Leben gegeben, um ihren Sohn zu retten.
    Kämpfe für mich; darum hatte sie ihn im Gegenzug ge beten . Sein Atem ging jetzt langsamer, und er wischte sich die Augen. Ein neues Feuer brannte in seiner Brust. Er legte seine Mutter zurück auf den Boden, schloss ihr die Augen und küsste sie sanft auf die Wange.
    Er stand auf, straff und gerade, und kam sich größer und älter vor als je zuvor. Nun war er mehr als ein Junge, die Rose von Annwn brannte in ihm und dadurch auch die Hoffnungen der Anderswelt.
    Jo-Jo kam und kniete sich neben ihm hin, berührte mit seinen kleinen Händen seine tote Mutter. Jack konnte sie hier nicht so liegen lassen, verlassen im Schmutz. In diesem Moment spürte er etwas neben sich. Als er sich umsah, ragte dort ein imposantes Wesen in einer Kapuze auf, das seine vier schlangenartigen Arme unter seinem dunklen Umhang verbarg. Es glitt respektvoll zu seiner toten Mutter, machte eine leichte Bewegung mit seinem Umhang, und sie verschwand darunter. Dieses riesige schwarze Schattenwesen strahlte Ehr furcht und Respekt aus und neigte in würdevoller Andacht seinen Kapuzenkopf.
    Einen Moment lang stand das Wesen so da, dann sah es zum Himmel hinauf. Jack folgte seinem Blick. Während er den aufgewühlten Himmel betrachtete, fiel ihm ein warmer Wassertropfen ins Gesicht wie eine Träne des Himmelreichs. Er sah wieder nach unten; das Wesen und seine Mutter wa ren verschwunden. Doch in der Erde glitzerte etwas. Jack kniete sich hin und sah den Ehering seiner Mutter, der halb in der Erde begraben war. Es war ein schlichter goldener Ring mit einem Diamanten in der Mitte. Jack rieb das Blut und den Schmutz an seinem Ärmel ab und steckte den Ring in die Hosentasche. Dann sah er noch etwas anderes, etwas Rechteckiges, das ihm bekannt vorkam, verschmutzt und angesengt. Er hob es auf und säuberte es, bis die Buchstaben auf dem Umschlag wieder lesbar waren.
    Über das Wesen der Verborgenen Reiche von Magus Hafgan. Es musste ihm beim Sturz von der Kathedrale aus der Tasche gefallen sein. Er schlug das Buch auf und sein Blick fiel erneut auf das rätselhafte Buchstabengitter.
    Oben öffneten sich die Wolken, ein heftiger Sommerregen setzte ein und spülte die Asche und das Blut des nächtlichen

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