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Jaeger

Jaeger

Titel: Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Gewalt hatte, war es ihm zuzutrauen, dass er sie aufschlitzte – und jeden anderen, der das Pech hatte, ihm in die Quere zu kommen.
    »Was … zum Teufel … hat er sich dabei gedacht …?«
    Dee sagte nichts. Er hatte sie nicht dazu aufgefordert.
    »Einfach abzunehmen … mit dem Anrufer zu sprechen  … dieser gottverdammte Idiot …«
    Er tigerte weiter hin und her. Dee wartete geduldig. Irgendwann blieb er stehen und fuhr zu ihr herum. »Hast du ihn gesehen? Was hat er sich eingeworfen? Was um alles in der Welt hat Bracken ihm gegeben? Er ist völlig außer Kontrolle. Er wird zu einer Gefahr für uns.«
    Dee nahm den direkten Blick von Michael als Erlaubnis zu sprechen. »Dann sollten wir ihn so schnell wie möglich loswerden«, sagte sie unterwürfig und schlug die Augen nieder.
    »Das werden wir auch«, gab Michael zurück. »Sobald er seinen Auftrag erledigt hat, wird er eliminiert.« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Falls er überhaupt noch in der Lage ist, seinen Auftrag zu erledigen.« Er setzte sich wieder in Bewegung. »Wir haben zugelassen, dass die Sache uns entgleitet. Diesmal ist sie außer Kontrolle geraten … völlig außer Kontrolle. Wir müssen untertauchen.«
    »Wo? Im Ausland?«
    Er nickte, ohne stehen zu bleiben. »Die Notfallpläne stehen schon seit Jahren. Nickoll kann uns alles vom Hals halten, bis wir in Sicherheit sind.«
    Dee nickte. Damit hatte sie bereits gerechnet. Es wäre traurig, alles zurückzulassen, aber sie würden ihren Lebensstil nicht aufgeben müssen. Sie hatten ausreichend Geld beiseitegeschafft. Zum Glück. Auf den Lebensstil hätte sie niemals verzichten können.
    »Was ist mit den dreien im Auto?«
    Die zwei Polizisten und Helen Hibbert lagen in einem Geländewagen. Dieser stand, mit einer Plane abgedeckt, ganz hinten auf dem Hotelparkplatz und wurde vom Golem bewacht.
    »Was aus Hibbert wird, schert mich einen Dreck. Aber die zwei Bullen dürfen auf gar keinen Fall gefunden werden. Wir müssen sie verschwinden lassen.«
    Dee nickte. Sie hatte keine andere Antwort erwartet.
    Michael blieb wieder stehen und baute sich vor ihr auf. Er packte sie am Kinn und bog ihren Kopf zurück, so dass sie ihn ansehen musste. »Und wenn sie weg sind … sind wir auch weg.«
    Sie sah ihm in die Augen und versuchte zu lächeln, während ihr ein Schauer der Angst über den Rücken lief.
    91 Tyrell starrte die Wand an. Nein. Eigentlich war es gar keine Wand, sondern ein Spiegel. Und er sah sich selbst zurückstarren. Aber da war nicht nur er selbst, denn es war ein Einwegspiegel. Er konnte niemanden sehen, aber die Leute auf der anderen Seite beobachteten ihn, das wusste er genau. Man hatte ihn sein ganzes Leben lang beobachtet. Er hatte ein Gespür dafür.
    Seine Hände lagen in seinem Schoß. Er saß mit geschlossenen Beinen und entspanntem Rücken da und war ganz ruhig. Mit sich und der Welt im Reinen. So wohl war ihm nicht mehr zumute gewesen, seit man ihn aus dem Gefängnis entlassen hatte.
    Das Gefängnis. Damals hatte er es anders empfunden, doch im Nachhinein war ihm klargeworden, dass er sich dort geborgen gefühlt hatte. Glücklich, hätte man sogar fast sagen können. Aber vor allem geborgen. So geborgen wie seit seiner Kindheit nicht mehr. Und damit meinte er seine richtige Kindheit. Damals, als er noch mit seiner Mutter allein gewesen war. Bevor sie in das große Haus gezogen waren. Zu dem alten Mann, der ihm erklärt hatte, er wolle jetzt ein Vater für ihn sein, und der wirklich nett zu ihm gewesen war. Und zu seinen neuen Geschwistern, die nur so getan hatten, als wären sie nett zu ihm.
    Er erschauerte. Das war eine der Erinnerungen, die er tief vergraben hatte, weil sie ihm weh taten. Aber sie waren alle wieder an die Oberfläche gekommen. Die guten wie die schlechten. Er musste an seine falschen Geschwister denken. Wie sie ihm ins Gesicht gelächelt hatten, sobald ihr Vater oder seine Mutter sich in der Nähe aufhielten. Wie sie angefangen hatten, ihn zu quälen, kaum dass sie unbeobachtet waren.
    Er schloss die Augen. Versuchte, nicht daran zu denken, was sie ihm angetan hatten. Zu spät. Der Gedanke hatte sich bereits in seinem Kopf festgesetzt, und jetzt musste er sich ihm stellen. Ob er wollte oder nicht.
    Sie taten ihm weh. Zerrten, kniffen und schlugen. Er schrie so lange, bis sie ihn zwangen, mit dem Schreien aufzuhören. Sie drohten ihm damit, ihn wegzuschicken, irgendwohin, wo er seine Mutter nie wiedersehen würde, wenn er nicht

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