Jäger der Nacht (German Edition)
hören. Es war beinahe, als versuchte er, mit ihrem Vater mitzufühlen wie mit jedem anderen Tier.
„Sie sind ein Raubtier, Mr. D’Angelo, sie stehen an der Spitze der Nahrungskette. In der Geschäftswelt gelten dieselben Regeln.“
„Das Überleben des Stärkeren.“ Vaughn drehte sich zu Faith um und strich mit einer zärtlichen und doch besitzergreifenden Geste über ihre Haare. „Also, Rotfuchs, was sagst du dazu?“
„Ich kann die Vorhersagen problemlos liefern, aber ich muss darüber nachdenken“, sagte sie und spürte einen Kloß im Hals. „Aber ich weiß jetzt schon, dass ich dafür mehr verlangen werde als bisher.“ Sie war froh, dass sie in der Lage sein würde, die finanzielle Situation ihrer neuen Familie zu verbessern. Geld war ein Machtmittel, das die Medialen verstanden.
Aber sie würde das Geld auch noch für einen subversiveren Plan benötigen. Bislang war es allerdings noch kein wirklicher Plan, eher eine vage Vorstellung, eine Ahnung, aber er könnte die Medialenwelt von innen her verändern. Er konnte Mediale wie ihre Cousine Sahara retten, die im Medialnet auf geheimnisvolle Weise verschwunden war, aber vielleicht noch lebte. Eingesperrt und abgeschnitten von allem wegen ihrer Fähigkeiten.
„Du bist meine Tochter. Ich habe nichts anderes von dir erwartet.“ Wenn Anthony kein Medialer gewesen wäre, hätte sie Stolz aus diesen Worten gehört.
„Und Faith wird nirgendwohin gehen, wenn sie akzeptiert“, fügte Vaughn hinzu. „Alle Vorhersagen werden im Territorium der DarkRiver-Leoparden stattfinden.“
„Keine Aufnahmen, keine Überwachungskameras.“ Sie hatte ein für alle Mal genug davon.
„Was ist mit deiner Sicherheit?“
Vaughn beugte sich vor. „Das können Sie mir überlassen.“
Anthony überlegte kurz, bevor er zustimmend nickte. „Passen Sie gut auf sie auf. Sie ist unbezahlbar.“
„Wenigstens steht für den Clan und dich mein Wert fest.“ Faith lächelte, eher traurig als fröhlich. Doch dann schob Vaughn seine Hand unter ihre Haare und legte sie auf ihren Nacken, und seine Wärme zeigte ihr, dass sie zumindest für einen wirklich unbezahlbar war.
„Dein Wert als Tochter lässt sich nicht in Geld ausdrücken.“
Sie war enttäuscht. „Vater, bitte versuch es nicht mit diesen psychologischen Tricks – das ist unter deiner Würde. Wenn dir deine Kinder so wichtig wären, hättest du versucht herauszufinden, wer Marine getötet hat und wie dein karibischer Sohn heißt.“
„Ich verstehe nicht, was der Mord an deiner Schwester damit zu tun hat. Sie ist unglücklicherweise das Opfer eines grausamen Menschen oder Gestaltwandlers geworden.“
Faith sah ihm an, dass er die Wahrheit nicht kannte, aber sie konnte nicht darüber sprechen. Der Schmerz war zu frisch. Vaughn antwortete für sie: „Es war ein Medialer. Vielleicht sogar ein vom Rat gepäppelter Mörder. Wir haben bloß noch nicht herausgefunden, warum er gerade sie genommen hat, wo sie doch den innersten Kreisen angehörte.“
„Verstehe.“ Anthonys Stimme verriet nichts, aber seine nächsten Worte kamen für Faith völlig unerwartet. „Was deine zweite Frage angeht – er heißt Tanique Gray. In drei Monaten wird er zweiundzwanzig. Er ist zwar entgegen den Hoffnungen seiner Mutter kein V-Medialer, erreicht aber in Psychometrie eine Neun auf der Skala; seit Jahrhunderten ist er der erste PM -Mediale, der aus unserer Familie stammt. Ich sehe ihn zweimal im Jahr, diese Klausel habe ich in den Reproduktionsvertrag einfügen lassen. Er hat deine zarte Konstitution, aber natürlich ähnelt er Marine am meisten.“
Faith wäre lieber gewesen, wenn dies nur ein geschickter Winkelzug gewesen wäre, um ihre Zuneigung zu gewinnen und sie damit seinen Forderungen zugänglicher zu machen, aber irgendwie wusste sie, dass es nicht so war. „Warum?“ Warum hatte er gegen das Medialenprogramm verstoßen, gegen alles, was er ihr je beigebracht hatte?
„Loyalität entsteht nicht mit der Geburt. Du warst eine so vollkommene Mediale.“
Und er hatte angenommen, sie könnte seine Entscheidung als Fehler betrachten.
Er stand auf, ohne ihre Antwort abzuwarten. „Vergiss nie, dass die Hälfte deiner Erbanlagen von mir stammt. Vielleicht gehört dazu auch jener Teil, der dein Gewissen ist.“
Er nahm seinen Organizer vom Tisch und wandte sich wieder dem Geschäftlichen zu. „Ich werde deine Entscheidung abwarten – lass dir aber nicht zu lange Zeit. Wenn du ablehnst, muss der Clan andere Maßnahmen
Weitere Kostenlose Bücher