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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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Zeit ist jetzt das wesentliche Element. Sie muß sofort mit der Jagd beginnen, bevor die Elfen einen zu großen Vorsprung haben und ihre Fährte kalt wird. Bevor die Witterung verfliegt und der Schnee schmilzt.
    Sie muß schnell sein. Auf vier Beinen laufen.
    Ihr Gedankengang wird von unterdrückten Lauten unterbrochen, entferntem Knurren und Kläffen. Mit den Lauten kommen Gerüche, und beides zusammen bringt sie auf andere Gedanken, erinnert sie an gewisse Dinge, gewisse grundsätzliche Wahrheiten. Sie sagen ihr, was sie als nächstes tun muß. Ihr Magen knurrt. Sie hat bei ihrem Angriff auf die Elfen einen Großteil ihrer Reserven verbraucht. Bevor sie irgend etwas unternimmt, irgendwohin geht, muß sie essen.
    In der Hütte gibt es nichts, was sie braucht. Sie läuft in den Wald, stürmt vereiste Hänge hinauf, springt zwischen hohen Bäumen hindurch. Diesmal sind es Wölfe, große Wölfe mit dunklem Fell. Fünf von ihnen haben die von ihr erlegte Beute umringt. Das größte Männchen und das größte Weibchen reißen Fleischstücke aus dem Kadaver und schnappen nach jedem von den anderen dreien, der es wagt, ihnen zu nah zu kommen.
    Gleichzeitig fliegen ihre Köpfe herum, und sie begegnen Tikkis Blick.
    Sie brüllt und greift an. Die drei kleineren Wölfe springen auseinander. Sie riechen nach Furcht und Überraschung. Das größte Männchen und das Weibchen blecken die Zähne, knurren und stellen alle Wildheit zur Schau, die sie aufbringen können, bis Tikki sie fast erreicht hat. Abrupt werfen sie sich herum und springen auseinander.
    Tikki kommt am hinteren Ende des Elchs zum Stehen, und jetzt beginnt der Kampf ernsthaft. Das Rudel umkreist sie. Die Wölfe lechzen nach dem Fleisch und erfüllen die Luft mit verzweifelter Wut. Das größte Weibchen springt knurrend hin und her und versucht es mit Drohgebärden. Tikki brüllt dem Weibchen eine Warnung zu, während sich das größte Männchen von hinten an sie heranpirscht. Tikki wirbelt herum, richtet sich auf die Hinterbeine auf, die Vorderbeine ausgebreitet, Zähne gebleckt und Krallen ausgefahren, und das Männchen schießt davon, während sich jetzt die anderen auf sie stürzen.
    Wieder und wieder greifen die Wölfe an, kratzen, beißen, verletzen sie an Flanke und Hinterbeinen. Es sind schnelle und kräftige Tiere, und sie sind zu fünft, während sie allein ist, aber sie ist groß und stark, und ihre Waffen sind unerbittlich.
    Und ihr blutender Körper heilt schon, wenn sie zu einem der Angreifer herumfährt.
    Dreimal treffen ihre Krallen auf Widerstand, und dreimal schießt ein blutender Wolf, vor Schmerzen und Entsetzen heulend, davon. Beim dritten Mal ist es das größte Männchen, und das ist das Ende. Das Rudel zieht sich tiefer in den Wald zurück, bis es fast außer Sicht ist. Dort bleiben die Wölfe stehen, und dort warten sie. Tikki macht sich über den Elchkadaver her, wobei sie jedoch immer auf der Hut und bereit ist, einem neuen Angriff zu begegnen.
    Der Kampf ums Überleben ist einfach. Es ist ein Kampf einer gegen alle, und er endet erst mit dem Tod. Es gibt Raubtiere und Beute, Jäger und Gejagte, und sonst nichts, was wirklich zählt. Das ist die Lektion, die sie von ihrer Mutter gelernt hat, und das ist die Denkweise, die sie in die Welt der Zweibeiner mitgenommen hat.
    Es gibt keine andere Herangehensweise an das Leben in der Wildnis, an das Leben, wie es ihre Vorfahren gelebt haben, aber sie ist nicht sicher, ob diese Herangehensweise auch für die absonderliche Welt der Zweibeiner Gültigkeit hat. Ihre Zeit in den Städten der Menschen hat ihr viel Grund zum Nachdenken gegeben. Sie hat sogar überlegt, ob die Doppelnatur ihrer Gestalt nicht impliziert, daß sie irgendwie mehr ist - besser, stärker, höherstehend - als gewöhnliche Lebewesen, obwohl sie sich nicht vorstellen kann, was das bedeuten könnte, wenn es denn tatsächlich stimmte.
    Aber die Elfen haben alles wieder auf einen einfachen Nenner gebracht. Die Zeit für müßige Gedankenspielereien ist vorbei.
    Jetzt ist sie wieder auf der Jagd.

4
     
    Der U-Bahn-Zug donnert in den Bahnhof Tremont Avenue, klappernd, bebend und mit kreischenden Bremsen. Bandit beobachtet die Leute bei ihrem Kampf, ein- oder auszusteigen. Als die Schlacht beinahe geschlagen ist, schiebt er sich durch die dicht gedrängt stehende Menge und schafft es gerade noch durch die Tür auf den Bahnsteig, bevor die Preßluft zischt und die Türen ihrerseits den Kampf gegen den Druck der Leiber aufnehmen, bis

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