Jagdhunde (German Edition)
leiser Stimme hinzu: »Die Titelseite geht erst in vier Stunden in Druck.«
4
Der Journalist rief kurz vor zehn an. Wisting verstand seinen Namen nicht, begriff aber sehr wohl, dass er für Verdens Gang arbeitete.
»Wir bringen morgen etwas über den Cecilia-Fall«, setzte er an. »Rechtsanwalt Sigurd Henden hat einen Antrag bei der Wiederaufnahmekommission eingereicht.«
»Aha.«
»Wir hätten gerne Ihre Stellungnahme zu den Vorwürfen, dass Sie die Beweise gefälscht haben, die zu Rudolf Haglunds Verurteilung führten.«
Wisting räusperte sich und fragte mit fester Stimme: »Wie war Ihr Name bitte?«
Der Journalist zögerte und Wisting bekam den Verdacht, dass er sich absichtlich so undeutlich vorgestellt hatte.
»Eskild Berg.«
Wisting räusperte sich erneut. Es musste sich um einen gewöhnlichen Nachrichtenjournalisten handeln und nicht um einen der Leute aus der Kriminalredaktion, mit denen er normalerweise sprach, wenn es etwas gab. Er glaubte, seinen Namen schon einmal gelesen zu haben, konnte sich aber nicht erinnern, dass er bereits mit ihm zu tun gehabt hatte.
»Wie lautet Ihre Stellungnahme zu den Vorwürfen, dass Sie Beweise gefälscht haben?«, wiederholte der Journalist.
Wisting spürte einen unangenehmen Schauer über Nacken und Rücken kriechen, schaffte es aber, seine Stimme ruhig zu halten. »Ich kann das nur schwer kommentieren …«, erwiderte er, »… da ich den Inhalt der Beschuldigungen nicht kenne.«
»Rechtsanwalt Henden behauptet, er könne beweisen, dass Rudolf Haglund aufgrund gefälschter Beweise verurteilt wurde.«
»Davon weiß ich nichts.«
»Sie waren doch verantwortlich für die Ermittlungen?«
»Das ist richtig.«
»Und stimmen die Vorwürfe? Wurden Beweise gefälscht?«
Wisting schwieg, während er sich im Kopf eine Antwort zurechtlegte. Der Journalist konnte wohl kaum erwarten, eine Bestätigung der Vorwürfe zu bekommen, war aber anscheinend darauf aus, ihm einen Kommentar zu entlocken.
»Mir sind die Hintergründe der Behauptung Hendens nicht bekannt«, sagte er langsam, damit der Journalist mitschreiben konnte. »Und ebenso wenig ist mir bekannt, dass es irgendwelche Unregelmäßigkeiten bei den Ermittlungen gegeben hat.«
»Es soll auch einen Zeugen geben, dem es verwehrt wurde, eine Aussage zu machen«, fuhr der Journalist fort. »Einen Zeugen, der sich zugunsten Haglunds äußern wollte.«
»Das ist mir ebenfalls nicht bekannt, aber wenn dem so ist, dann bin ich sicher, dass sich die Kommission damit beschäftigen wird.«
»Aber finden Sie nicht, dass das hier ziemlich heftige Anschuldigungen gegen Sie als zuständigen Ermittlungsleiter sind?«
Offenbar versuchte der Journalist, persönliche Reflexionen aus ihm herauszuholen.
»Sie können gerne zitieren, was ich eben gesagt habe«, entgegnete Wisting. »Mehr habe ich heute Abend nicht hinzuzufügen.«
Der Journalist machte noch zwei neue Versuche, kam aber nicht weiter. Wisting legte auf. Er wusste, dass seine Äußerungen ohnehin nicht das Interessanteste an der Sache waren. Er hatte großes Verständnis für die Rolle der Presse als Wachhund. Schließlich war es ihre Aufgabe, Politiker, Machtmenschen und öffentliche Organe zu kritisieren und im Auge zu behalten. Die Presse sollte das Recht verteidigen und Betrug und Unrecht aufdecken. Das waren Prinzipien, die er gerne teilte. Jetzt allerdings schien ihm, dass das Recht sich gegen ihn selbst wendete.
Wistings Blick traf wieder auf die regennasse Fensterscheibe. Gedankenverloren starrte er sein eigenes Spiegelbild an. Das schummrige Licht verwischte die Konturen in seinem Gesicht und machte ihn zu einem Fremden.
Er kannte Rechtsanwalt Henden aus verschiedenen Zusammenhängen. Zwar war er während des Prozesses vor siebzehn Jahren nicht Haglunds Verteidiger gewesen, arbeitete aber als anerkannter und profilierter Anwalt in einer der größten und renommiertesten Kanzleien des Landes und hatte Erfahrungen aus seiner Tätigkeit als Staatssekretär und persönlicher Berater im Justizministerium gesammelt. Wann immer Wisting mit ihm zu tun gehabt hatte, war er ordentlich und korrekt aufgetreten. Er veranstaltete kein Schauspiel für die Zuschauerbänke und hatte für gewöhnlich solide Karten in der Hand, wenn er sich gegenüber den Medien äußerte.
Wisting wusste, dass Henden an dem Fall arbeitete. Vor zwei Monaten hatte der Anwalt darum gebeten, ein paar Dokumente ausleihen zu dürfen. Manchmal geschah es, dass Journalisten, Privatdetektive
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