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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Ich meine das vollkommen ernst.«
    Ote stieg über den erlegten Hirsch und kam auf Joe zu. »Aber Sie kenn ich doch! Sie sind der brandneue Jagdaufseher, nicht?«
    Joe nickte und begann, das Formular auszufüllen.
    »Ich hab von Ihnen gehört. Wie alle. Sie sind doch der Armleuchter, der den Gouverneur von Wyoming wegen Angeln ohne Genehmigung festgenommen hat, stimmt’s?«
    Joe spürte, wie ihm der Nacken heiß wurde.

    »Ich hab nicht gewusst, dass es der Gouverneur war«, sagte er und wünschte sofort, er hätte den Mund gehalten.
    Ote Keeley lachte und schlug sich auf die Schenkel.
    »Nicht gewusst, dass es der Gouverneur war«, wiederholte er. »Ich hab’s in der Zeitung gelesen. Wie alle. ›Jagdaufseher Grünschnabel nimmt Gouverneur Budd fest.‹«
    Dann wurde Ote ernst. »Mensch - Sie wollen mir doch nicht wirklich eine Anzeige verpassen? Ich bin Jagdausrüster - das ist mein Beruf. Ich kann meine Familie nicht durchbringen, wenn meine Konzession einkassiert wird. Ich mach jetzt keinen Spaß. Wir können uns doch sicher einigen.«
    Joe musterte Ote Keeley. »Ich mach auch keinen Spaß. Ihren Führerschein, bitte.«
    Keeley schien erst jetzt zu begreifen, was eigentlich vorging. Joe war über seine fast atemberaubende Dummheit erstaunt. Dann bemerkte er, dass Ote kurz dahin sah, wo er sein Gewehr gelassen hatte.
    »In Wyoming gibt’s mehr Hirsche als Menschen«, zischte Ote. »Die drei hier vermisst doch niemand. Das Rudel bestand aus fast dreißig Tieren. Vern Dunnegan hätte so eine Schweinerei nicht gemacht.«
    »Ich bin nicht Vern Dunnegan.« Joe ließ sich die Überraschung über das, was Ote über seinen Vorgänger und Förderer gesagt hatte, nicht anmerken.
    »Das sicher nicht«, sagte Keeley bitter, zog seine Brieftasche aus der Hose und hielt sie Joe hin. Der griff danach, und Ote packte seinen Arm, drückte ihn jäh zurück und brachte Joe so aus dem Gleichgewicht. Bevor er sich wieder gefangen hatte, hatte Ote ihm schon den Revolver aus dem Holster gezogen.

    Einen Augenblick lang sahen Joe Pickett und Ote Keeley einander völlig entgeistert an. Dann hob Ote die Pistole und zielte Joe direkt ins Gesicht.
    »Wer hätte das gedacht«, sagte er dabei ein bisschen scheu und ehrfürchtig.
    »Ich schlage vor, Sie geben mir die zurück.« Joe bemühte sich, mit keiner Wimper zu zucken. Er hatte furchtbare Angst. »Geben Sie sie her, und wir sind quitt.«
    Ote Keeley spannte langsam den Hahn. Joe sah, wie sich die Trommel drehte. In jeder Kammer wartete ein matter Bleikopf auf ihn, und der Lauf der Waffe war schwarz und riesig, die Mündung klaffte. Ote legte auch die andere Hand um den Griff, um ruhiger zu zielen.
    »Jetzt stecken wir beide ganz, ganz tief in der Scheiße«, sagte Ote mehr zu sich als zu Joe.
    Der dachte an seine Töchter Sheridan und Lucy, die beide zu Hause waren und wahrscheinlich hinten im Hof spielten. Er dachte an seine Frau Marybeth, die immer befürchtet hatte, dass einmal so etwas passieren würde.
    Und dann gab es für Joe nur noch eine einzige und sehr einfache Frage - würde er mit offenen oder mit geschlossenen Augen sterben?

Erster Teil
    Ziele:
     
    Durch dieses Gesetz sollen
    • das Ökosystem gefährdeter und bedrohter Arten erhalten,
    • das Überleben dieser Arten durch einen Katalog von Maßnahmen gesichert
    • und die Ziele der anschließend aufgeführten Verträge und Abkommen erreicht werden.
    Aus: ZUSÄTZE (1982) ZUM GESETZ ÜBER GEFÄHRDETE ARTEN

1
    Joe lebte, aber darauf war er nicht besonders stolz. Inzwischen war es Herbst, und ein schiefergrauer, kalter Sonntagmorgen dämmerte herauf. Joe bereitete für seine Töchter gerade Pfannkuchen zu, als er zum ersten Mal von dem Monster hörte, das aus den Bergen gekommen war und versucht hatte, in der Nacht ins Haus einzudringen.
    Die siebenjährige Sheridan Pickett erzählte ihrem Teddybären, dem sie alles anvertraute, halblaut einen Traum. Die dreijährige Lucy hörte entsetzt mit. Der Fernseher lief, obwohl die uralte Satellitenantenne nur schlechte, verschneite Bilder lieferte - wie immer.
    Das Monster, so Sheridan, sei tief in der Nacht aus den Bergen durch den dunklen, steilen Canyon hinterm Haus gekommen. Sie habe das vom oberen Etagenbett durch einen Vorhangschlitz beobachtet. Sheridan hatte immer vermutet, aus dem Canyon werde mal ein Monster auftauchen, und jetzt war sie stolz, wenn auch etwas ängstlich, dass sie richtiggelegen hatte. Nur der Mond habe die Szene durch die welken Blätter der

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