Jagdsaison. Roman.
müssen. Vom Hinterzimmer führt eine breite Holztreppe in den ersten Stock hinauf. Dort befinden sich Wohnstube, Schlafkammer, Küche und Abtritt.«
»Wie ist das Bett?«
»Klein.«
»Was bedeutet, daß er derzeit keine Absicht hat, den Hafen der Ehe anzusteuern«, sagte Herr Colajanni, der zwei Töchter im heiratsfähigen Alter hatte.
»Sie erzählen uns da Sachen, die jeder mit eigenen Augen sehen kann«, unterbrach Baron Uccello ohne Umschweife, »doch Sie können uns weder erklären, wer Santo Alfonso de’ Liguori ist, noch weshalb er es sich in den Kopf gesetzt hat, ausgerechnet in Vigàta seine Apotheke aufzumachen.«
»Das ist das Rätsel«, sprach der Geometer nachdenklich.
»Morgen nachmittag wird im Dorf eine Apotheke eröffnet«, unterrichtete Mimì seinen Herrn, während er ihn mitsamt Strohstuhl vom Palazzo zum Zirkel schleppte. Häufig erzählte er ihm von Dingen, die sich zugetragen hatten, wie etwa »Pippineddu, der Maurer, ist von der Leiter gefallen und hat sich das Bein gebrochen«, oder: »Frau Balistreri hat ein Mädchen zur Welt gebracht.« Viele Geschichten dieser Art erzählte er dem Alten, zur Kurzweil, um die Zeit totzuschlagen, und war sich sicher, keine Gegenrede zu erhalten. Als er ihm die Decke überlegte, schließlich war es erst Ende Februar und eisig kalt, machte der Alte ein Zeichen, um zu sprechen.
»Nein«, brachte er unter großer Anstrengung heraus und schwitzte trotz der Kälte. »Nein, Mimì. Morgen wird die Jagdsaison eröffnet.«
»Was sagen Sie da, Euer Wohlgeboren? Morgen wird eine Apotheke aufgemacht, und der Apotheker ist der fremde Herr da, der Euer Wohlgeboren jedesmal grüßt, wenn er vorübergeht.«
»Nein, Mimì, morgen wird die Jagd eröffnet. Und ich will nicht erschossen werden.«
»Aber, Euer Wohlgeboren, was habt Ihr nur für eine Angst? Ihr seid doch keine Wachtel, oder?«
Mimì war baß erstaunt. Seit Jahren schon hatte der Marchese nicht mehr so viel gesprochen.
Der Alte nickte. »Eine Wachtel bin ich, genau, Mimì, du hast es getroffen.«
Er holte tief Luft, ganz erschöpft vom vielen Reden. »Denk dran, Mimì. Ich will nicht erschossen werden. Wenn ich schon sterben soll, bringe ich mich lieber selbst um.«
Mimì gab auf diese Worte nicht viel, da sein Herr schon seit geraumer Zeit nicht mehr ganz klar im Hirn war. »Euer Wohlgeboren, wollt Ihr, daß ich einen Kübel Wasser hole, es wärme und Euch die Hände wasche?«
Der Entsetzensschrei des Alten ließ das Glas in der Eingangstür des Zirkels erzittern.
Der Knüller kam eine halbe Stunde nach Einweihung der Apotheke.
»Da ist etwas faul im Busch«, verkündete der herbeigeeilte Geometer, mühsam atmend.
»Bei mir stinkt es schon im Busch«, meinte Baron Uccello, der ein Spiel nach dem anderen verlor.
»Der Apotheker hat bei Fillicò, dem Dekorationsmaler der sizilianischen Karren, das Ladenschild in Auftrag gegeben. Fillicò hat es nach allen Regeln der Kunst angefertigt und es jetzt eben über dem Eingang angebracht. Wißt ihr, was da drauf steht?«
»Apotheke«, sagte Oberleutnant Baldovino.
»Richtig. Aber darunter steht statt des Namens des Besitzers Santo Alfonso de’ Liguori ein anderer Name, nämlich Alfonso La Matina.«
»Apotheke Alfonso La Matina«, faßte der Oberleutnant zusammen.
»Aber wenn er Alfonso La Matina heißt, warum hat er dann behauptet, sein Name sei Santo Alfonso de’ Liguori?« Baron Uccello stellte die Frage, die in den Köpfen aller umherspukte.
»Heilige Jungfrau!« rief Marchese Peluso und tauchte unvermittelt aus seinem Gedankenlabyrinth auf. »Heilige Jungfrau«, wiederholte er, nicht ahnend, daß sein Vater den Fremden mit ebendiesem Ausdruck bedacht hatte. Mit einem Ruck war er auf den Beinen, griff nach Mantel und Hut und verließ im Eilschritt den Zirkel.
Nach einer halben Stunde war er zurück, und in seinem Gesicht standen Genugtuung und Skepsis zu gleichen Teilen. »Ich habe mit ihm gesprochen«, sagte er. »Wißt ihr, wer das ist? Fofò, der Sohn von Santo La Matina. Erinnert ihr euch noch an Santo?«
»Gewiß erinnere ich mich an ihn«, meldete sich kurz darauf Baron Uccello zu Wort. »Das war der Verwalter des Marchese, Ihres Vaters, der einen Wundergarten an einem geheimen Ort besaß.«
»Genau der«, sagte der Marchese.
»Was für ein Wundergarten?« fragte Oberleutnant Baldovino.
»Ein Garten, der wahre Wunder vollbrachte, Herr Oberleutnant«, erklärte der Marchese. »Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen. Ein
Weitere Kostenlose Bücher