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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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seinen Spazierstock in den überm Bauch gefalteten Händen hielt.
    Als der Fremde seinen Weg Richtung Corso fortsetzte, rührte sich auch der Hund, scharwenzelte um die Statue, hielt inne, hob erneut das Bein und zielte direkt auf den Mantel, der bis auf den Boden reichte. Verstört blieb der fremde Besucher auf dem Platz stehen, denn er spürte recht unangenehm ein Augenpaar starr auf sich gerichtet, konnte aber nicht feststellen, aus welcher Richtung der lästige Blick kam. In der Ungewißheit, ob ohne Deckung weiterzugehen das richtige sei, machte er ein paar Schritte, und genau in diesem Augenblick hob die Statue mit quälender Langsamkeit, wie sie dem Fremden aus gewissen Alpträumen vertraut war, die rechte Hand und bedeutete ihm unmißverständlich mit einem Finger, näher zu kommen. Der Fremde war schweißgebadet, sein Hemd klebte am Rücken, als er auf der Höhe des Alten haltmachte und sich zu dem Gesicht hin beugte, das infolge langer Sonnen- und Frosteinwirkung wie aus Ton modelliert wirkte; die Fliegen- und Taubenexkremente in den Hautfurchen bildeten eine grobkörnige Masse. Unter den mit Sand und Schwefelpulver verklebten Lidern entdeckte er den stechenden Blick eines höchst lebhaften Augenpaars. Stumm betrachtete der Alte den fremden Mann; schließlich kam Bewegung in ihn, und er sperrte den Mund auf, als wolle er seine Verwunderung laut werden lassen.
    »Heilige Jungfrau«, brachte er schließlich mit kratziger Stimme heraus. Dann schlug er die Lider nieder und wiederholte fast betrübt: »Heilige Jungfrau!«
    Höflich und geduldig, den Oberkörper vorgebeugt, ließ der Fremde dem Alten Zeit, um Atem zu holen und die Lider erneut zu heben.
    »Du bist…«, fing der Greis an, doch just in dem Augenblick, da er Vor- und Nachnamen des fremden Gasts aussprechen wollte, ließ ihn sein Gedächtnis im Stich. Der Faden, den er mühsam aus dem finsteren Loch bleischwerer Erinnerungsfetzen hochgezogen hatte, riß und verlor sich in einem Labyrinth von Geburten und Todesfällen – und hakte sich ungeachtet der Geschehnisse, wie Kriege und Erdbeben, an einem bestimmten Vorfall fest: Damals war der alte Mann ein kleiner Bub von vier Jahren, und einer der Jagdhunde seines Großvaters hatte ihn gebissen, weil er ihn mit einem Bambusstock geärgert hatte.
    »Du bist ein Jagdhund«, war die Schlußfolgerung des Alten, und er preßte die Augenlider zusammen, um dem andern zu verstehen zu geben, daß er nicht die Absicht habe, weitere Worte an ihn zu verschwenden.
    Der Fremde hob den Hut, verneigte sich tief vor der erneut zur Skulptur erstarrten Gestalt und setzte seinen Weg fort.
     
    Selbst wenn kein Tag verging, an dem Sasà Mangione, in seiner Freizeit als Hafenarbeiter und Lastenträger tätig, nicht zum Langfinger wurde, durfte man ihn nicht eigentlich einen Dieb nennen. Zu dieser Einsicht war auch Kommissar Porterà gekommen, nachdem er Sasà zum fünfzehnten Mal verhaftet hatte.
    »Ist er ein Dieb, nur weil er anderer Leute Sachen an sich nimmt?« fragte sich der Kommissar. »Weil er kein Geld hat und deshalb das Diebesgut verhökert? Das stimmt, aber Sasà brauchte eigentlich kein Geld, da seine Frau beim Commendatore Aguglia, einem verrückten ehemaligen Garibaldino, im Dienst stand, der behauptete, alle Menschen seien fast gleich, und der deshalb seinem Dienstmädchen das Vierfache des üblichen Lohns zahlte. Und im übrigen verkaufte Sasà die Sachen ja gar nicht, die er den anderen geklaut hatte. Das Vergrößerungsglas von Don Saverio Piscopo, den Globus des Lehrers Pancucci, das Mikroskop des Doktor Smecca, hatte er die etwa nicht heil und ganz im Hause von Sasà wiedergefunden? Was hatte das zu bedeuten? Es gab nur eine Erklärung: Sasà stahl aus purer Lust an der Freude, die anderen zu verarschen. Sasà war kein Dieb, sondern eine diebische Elster. Und – darf man denn einen Vogel ins Zuchthaus sperren?«
    So hatte er Sasà eines Tages zu sich aufs Kommissariat bestellt und ihm ins Gesicht gesagt: »Jedesmal, wenn du in Zukunft den Auftrag hast, Sachen von einem Ort an einen anderen zu tragen, rufst du bei jedem zehnten Schritt laut und deutlich, woher du das jeweilige Stück hast, wohin du es gerade trägst und wem es gehört. Wenn ich dich auch nur mit einem Strohhalm in der Hand erwische, und du hast nicht lauthals verkündet, was zu sagen deine Pflicht ist, lasse ich dich den Würmern im San-Vito-Kerker zum Fraß vorwerfen.«
    Das war der Grund, weshalb Sasà Mangione an jenem letzten Tag des

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