Jagdsaison. Roman.
winziger Fleck Erde, auf dem die Gaben der Mutter Natur überreich gediehen. Tatsache ist, daß jene Gemüse, Kräuter und Früchte jedes Leiden heilten.«
»Wollen Sie mich verschaukeln?«
»Nein. Und wenn Sie es nicht glauben wollen, können Sie ja die fragen, die sich noch daran erinnern, wie der hier anwesende Baron Uccello. Vor rund zwanzig Jahren aber verschwand Santo mitsamt seinem Sohn Fofò. Oder, besser gesagt, nur Fofò verschwand, damals ein zehnjähriger Knabe. Santo wurde unter einer Handbreit Erde wiedergefunden. Man hatte ihn abgestochen, seinen Garten verbrannt und Salz darauf gestreut.«
»Hat man erfahren, wer das war?«
»Nie. Und aus diesem Grund hat Fofò La Matina einen anderen Namen gewählt, um seine Apotheke aufzumachen. Er befürchtete, daß noch einer der Mörder seines Vaters im Ort leben könnte.«
»Und wie will er jetzt wissen, daß von diesen Typen keiner mehr am Leben ist?«
»Weil er von Bastiano Taormina nicht nur das Haus gekauft, sondern mit ihm auch ein paar Worte gewechselt hat. Und Bastiano hat ihm alles erklärt, doch darüber hat der Apotheker keine Silbe verlauten lassen. Er hat mir lediglich gesagt, daß in jener Nacht die vier maskierten Männer auch ihm nach dem Leben trachteten. Aber Fofò hatte sich hinter einem großen Busch versteckt, und er trug das Geldsäckchen bei sich, das sein Vater ihm gerade noch rechtzeitig, bevor die Mörder ins Haus eingedrungen waren, hatte geben können. Als die Männer weg waren, flüchtete Fofò und brauchte acht Tage bis Palermo; dort ließ er sich von seinem Patenonkel, einem Cousin seines Vaters, an Sohnes Statt annehmen, und den Rest könnt ihr euch ja vorstellen. Ich sage euch jetzt eines: Wenn Fofò auch nur halb so geschickt ist wie sein Vater, wird er aus der Apotheke eine Goldgrube machen.«
Die letzte Neuigkeit über den Apotheker war streng privat, aber, wie üblich in Vigàta, sofort in aller Munde. Es ging um einen Vorfall, der sich auf der Heimreise von Palermo auf dem »Franceschiello« zugetragen hatte und den Frau Clelia nicht ohne weiteres auf sich beruhen lassen wollte. Auf der Schiffspassage, während sie beim Essen waren, hatte Kapitän Gamella das Wort ergriffen und erzählt, daß genau an der Stelle, an der sie jetzt fuhren, vor dreißig Jahren ein Dreimaster mit sämtlichen Passagieren an Bord aus ungeklärten Gründen untergegangen war. Bei diesen Worten beschloß Frau Clelia, ohnmächtig zu werden: Jammernd und mit starrem Blick verdrehte sie den Kopf in alle Richtungen und fiel stocksteif nach hinten. Diese Nummer gelang ihr jedesmal hervorragend, schließlich hatte sie seit ihrem achten Lebensjahr Übung und kippte, sobald ihr etwas gegen den Strich ging, einfach um. Die drei Männer in ihrer Begleitung, Kapitän Cumella, Herr Colajanni und Oberleutnant Baldovino, verloren keine Sekunde, um Erste Hilfe zu leisten: Kapitän Cumella öffnete ihren Mund und flößte ihr Wasser ein, Herr Colajanni fächelte ihr mit einer Serviette Luft zu, und der Oberleutnant löste mit flinken Händen ihr Mieder. Der einzige, der keinen Finger gerührt hatte, war der Fremde, inzwischen als Fofò La Matina bekannt, für den sie das ganze Theater eigentlich inszeniert hatte; den Schnurrbart zwirbelnd, hielt er sich im Abseits. Und eben für diese Gleichgültigkeit wollte Frau Clelia sich rächen. Eines schönen Tages erfuhr sie von der Hausangestellten Cicca, daß Doktor Smecca krank sei. Da beschloß sie, daß sie noch am selben Tag einer Arztvisite bedürfe. »Aber wohin willst du bloß gehen, wenn Smecca nicht kann? Soll ich dich nach Girgenti begleiten?« fragte ihr Gatte, der nicht wußte, daß seine Hörner schon wie Leuchttürme aufragten.
»Das ist nicht nötig, ich gehe zum neuen Apotheker. Er macht mir den Eindruck, als sei er sehr tüchtig.«
Sie wusch sich von Kopf bis Fuß, verbrauchte dafür einen ganzen Krug Wasser, parfümierte sich mit Cotì, schlüpfte in Unterhose und Büstenhalter aus schwarzer Brüsseler Spitze – ein bewährtes Mittel, mit dessen Hilfe ein geknickter Grashalm zu einem knallharten Stück Pechkiefernholz wurde –, legte Puder und Lippenrot auf und machte sich eilig auf den Weg zur Apotheke.
»Was wünschen Sie?« fragte der Apotheker.
»Dich«, hätte Frau Clelia ihm am liebsten auf den Kopf zu geantwortet. Statt dessen sagte sie: »Ich möchte, daß Sie mich untersuchen.«
»Ich bin kein Arzt, meine Dame.«
»Ich weiß. Aber man sagt, daß Sie tüchtig sind. Und Sie
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