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Jahrestage 2

Jahrestage 2

Titel: Jahrestage 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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errege ihre Besorgnis. Ha ha. Und nur 4 schwarze Reporter hat sie unter all ihren 53. 7,5 Prozent. Tja. Da sieht man es. Und keiner der Redakteure ist Neger. Diese Heuchler von der Post.
    Das zeigt wahrhaftig, warum wir in unseren Städten Aufruhr und den Ausbruch der Verzweiflung haben: sagt der Ausschuß.
    Wer da der New York Times hätte zuvorkommen wollen, er wäre nicht so früh aus dem Bett gekommen wie sie. Sie war bei der Polizei von Los Angeles, von Detroit, von Virginia, von Philadelphia, von Chicago, von Atlanta, bei den Waffenfabriken in Memphis, in Springfield. Es sind sogar Kampfhubschrauber vom Typ Viet Nam angefordert worden. Beim nächsten Mal wird die Polizei die Chemikalie »Bananenschale« verwenden, die die Straßen so glitschig macht, daß Einer nur noch mit Schwierigkeiten darauf gehen kann, mit Sicherheit aber nicht mehr Aufstand machen. Und die Polizei von New York hat 5000 Schutzhelme bestellt, das Stück zu $ 20,-. 100 000,- Dollar.
    Das steht auf einem anderen Blatt.
    Jetzt kommt die Times. Tusch für den Favoriten!
    Der Wahrheit die Ehre. Auch die Times ist nicht ungezaust weggekommen. Aber der Ausschuß war nicht etwa kaustisch mit ihr, ätzend, beißend. Kritisch, das schon. Vielleicht, um sie zu schonen. Um einer alten Dame Peinlichkeiten zu ersparen, wenn sie vor dem Richtertisch sitzt in ihrem kleinen Schwarzen, in geschmackvoll erhaltener Jugend und Alterswürde, die Hände im Schoß wringend, doch aufgeregt, und nun gestehen muß, daß sie unter ihren 200 Reportern nicht mehr als 3 von schwarzer Hautfarbe hat. 1,5 Prozent. Ja.
    Da stellen wir uns ein Schweigen vor.
    Eilig setzt die New York Times, geborene Ochs-Hays-Sulzberger, hinzu: Das bezieht sich nur auf das Büro in New York.
    Das hilft nun nicht eben. Das galt für die Post ja auch. Und die alte Dame beweist uns nicht etwa, daß die Vergleichszahlen der Büros in Washington und Paris die Lage bessern; sie deutet es zwar an. Könnte ja sein. Nicht wahr. Könnte ja sein.
    Dann hat sie sich gefangen. Nimmt den Kopf wieder hoch, sieht dem Ausschuß ins Gesicht, sagt mit fester Stimme: Sie sei nicht stolz darauf, daß nur 7 Prozent ihrer Angestellten aus den betroffenen Minoritäten kämen. So kann man wenigstens noch ihre Haltung loben.
    Dann verdirbt sie ihren moralischen Gewinn und stellt sich ein Bein mit ihrem manischen Hang zur Vollständigkeit und sagt: Vor einem Jahr waren es bloß sechs.
    Oh, weh. Weniger als die Post. Und ihre 7 Prozent sind nur »ungefähr«. Ob die Times denn einen Neger als Redakteur beschäftigt, sie mag da Auskunft gegeben haben, ihren Lesern sagt sie es schon nicht mehr. Besser, wir ersparen uns die Frage.
    Da sitzt eine alte Dame, gedemütigt und bloßgestellt, ohne Ansehen ihres Alters, ihrer Verdienste. Sieht sie auf ihre Fußspitzen? Putzt sie sich die Nase? Es hilft ihr gar nichts; der Ausschuß hat ein Ansinnen an sie.
    Ob sie denn nun nicht einen Teil ihrer Einlassung zurücknehmen wolle. Wo es heiße, daß die Times nicht nur Worte mache, sondern ihnen Handlungen folgen lasse.
    – Nein. Das will ich nicht: sagte sie.
    Ob die Times sich begreife als führend unter den Zeitungen.
    – Schon möglich: sagte sie. Abermals ist sie zu sehen, mit hochfahrendem Kinn, stolz das Ziel verfehlendem Blick, hochmütigem Jungmädchenton.
    Das sei ein guter Haufen Übertreibung auf einmal: beschied der Ausschuß sie. Und es sei zu hoffen, daß jemand wie die Times ihre führende Stellung auch auf das Gebiet gleicher Chancen am Arbeitsplatz ausdehne.
    – Wir werden das Problem kräftig in Angriff nehmen: sagte die New York Times. Es ist das letzte, was sie von sich berichtet; es ist ein Versprechen. Ist es ein Versprechen? Aber die Tränen, die ihre Stimme aufweichten, waren schon zu hören.
    Nun nichts wie weg, zu Time Magazine, zu Columbia Broadcasting, zu American Broadcasting, zum Verlag Doubleday & Co, zu den Werbeagenturen J. Walter Thompson und Grey Advertising. Die werden ja auch Dreck am Stecken haben. Eine viel bessere Figur machen die auch nicht. Bloß die scheußliche, die unerträgliche Szene von vorhin zudecken mit irgend was, das wahr ist. Dann reicht es nicht. Dann kommt sie auf die Juden.
    Die Juden sind doch gar nicht der Gegenstand der Untersuchung!
    Das macht nichts. Das gibt mindestens noch zwei Absätze. Lauter Fakten, also berechtigt. 25 Prozent der Einwohner von New York-Stadt sind Juden. Jedoch bloß 4,5 Prozent der 2104 höheren Angestellten in den 38 größeren

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