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Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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haben im März 33 all ihren Papierkram ans Landeskriminalamt geschickt. Da haben die Sowjets sie dann wohl gefunden.
P.
Das gehört nicht zur Sache.
L.
Das geht dich einen Schietdreck an.
S.
Von uns wissen die gar nichts. Wir haben keine Pakete an die Nazis geschickt und keine an die Sowjets.
H.
Aber einen kennen sie. Das ist deine Dämlichkeit, du Heini. Das ist deine Schuld.
P.
Bist du das?
H.
Zu mir kannst auch Sie sagen.
P.
Selbstverständlich wird die Partei alles tun, um den Genossen zu decken.
K.
Gestatten Sie die Frage: Hätten Sie denn was zum Zudecken?
S.
Weglaufen kann er nämlich alleine. Dazu braucht er keine Hosenscheißer von der Partei. Dann sind wir einer weniger.
P.
Wieviel seid ihr denn überhaupt?
L.
Ich beantrage, daß ihn das einen Schietdreck angeht.
W.
Da wir keine Versammlung haben, keine Tagesordnung, keine Geschäftsordnung, entfällt die Möglichkeit einer Antragstellung. Der Antrag ist angenommen.
P.
Vor allem kommt es darauf an, für den Fall einer Vereinigung mit der K. P. ein starkes Eigengewicht zu schaffen in der Einheitspartei. Wenn es überhaupt dazu kommt.
S.
Wenn die Partei in der britischen Zone sich vereinigt mit den Kommunisten, kannst du ja mal wiederkommen.
P.
Eine Schwächung der Partei muß vermieden werden. Bei euch liegt der Fall anders. Ihr müßt doch erst mal eine Ortsgruppe gründen!
H.
Anmelden meinst du. Selbstanzeige erstatten, das meinst du.
P.
Habt ihr denn schon eine Ortsgruppe? Seid ihr die?
L.
Das geht dich einen Schietdreck an.
H.
Das möchtest du wohl, was zu melden haben.
P.
Kinnings, ich bin hochgekommen von Ludwigslust bis Gneez. Überall arbeiten Ortsgruppen der S. P. D. Wir erfahren alles, was in den Verwaltungen vorgeht, von der Landesebene bis zum Kreis!
S.
Dann können die sich mit den kommunistischen Genossen ja mal darüber unterhalten, daß wir Sozialfaschisten sind. Was das war, das Bündnis mit den Nazis. Was Sozialdemokraten in der sowjetischen Emigration passiert ist.
K.
Werden wir demnächst das Vergnügen haben, von der Zentrale ein klärendes Wort zu bekommen?
P.
Vielleicht müßt ihr euch gar nicht vereinigen. Dann müßt ihr doch erst recht da sein!
A.
Das sind ja bloß die Sowjets, die die Einheitspartei wollen. Das zählt ja gar nicht.
P.
Kinnings, ihr seid eben abgeschlossen von der Welt.
B.
Wenn du noch mal zu uns sagst Kinnings. Wenn du das noch mal sagst.
P.
Ihr wißt das eben nicht! Oh was sind die Kommunisten abgefallen am 25. November in Österreich. Und wie stehen die Sozialdemokraten da! In der sowjetischen Zone von Österreich! 4 Mandate für sie, 76 für uns!
K.
Jetzt wollten Sie noch die Erfolge der Sozialdemokraten in den ungarischen Gemeindewahlen vergleichen mit der Niederlage der Kommunisten.
P.
Hätt ich fast vergessen. Ja! So werdet auch ihr dastehen!
A.
Hilf du doch den Sowjets tragen.
P.
Nur eine unabhängige S. P. D. in den Westzonen Deutschlands wird in der Lage sein, euch zu unterstützen.
B.
Wie Cresspahl bloß darauf gekommen ist. Daß er so eine gute Meinung von dir hatte.
L.
Das geht ihn einen Schietdreck an! Das geht ihn einen Schietdreck an!
W.
Das Protokoll ist verlesen und gebilligt. Wir kommen zur Abstimmung. Dafür. Dagegen. Stimmenthaltungen.
H.
Wir werden dir jeden anschreiben, der hochgeht. Ob in der nächsten halben Stunde, ob im nächsten Jahr.
S.
Du wolltest doch was zu melden haben. Nimm das.
W.
Hiermit ist beschlossen, daß es ein Protokoll nicht gibt. Die Versammlung ist geschlossen. Hier war nicht Versammlung.
    – Was ist es heute, das du mir nicht erzählen willst, Gesine.
    – Ein Todesfall. Halt?
    – Du machst dir dein Jerichow ganz leer. Bald kenn ich da keinen Menschen mehr.
    – Warning war nicht mehr in Jerichow. Weil er eine Zeit lang in Griems Ackerbürgerei geholfen hatte, durfte er sich einen Landarbeiter nennen und teilnehmen an der Verlosung der Zettel, die Gerd Schumann umherreichte in einem Hut, der eigens aus dem Gutshaus der von Zelcks besorgt war. Warning zog da vier Hektar mittleren Bodens, eine Wagenstunde von der Stadt, fast gar nicht bestellt. In diesem Herbst nicht, im nächsten Jahr zur Not hätte er davon leben können mit seiner Frau und den beiden minderjährigen Söhnen. Nur hatte er von der Arbeit auf dem Acker am besten das Gehorchen gelernt. Als er aus der Strafanstalt Dreibergen zurückkam, hatte er die Kühe der Stadt hüten müssen; die Stelle kriegte er der Frau zuliebe. Der erzählte keine Geschichten mehr, behaglich auf den Forkenstiel gestützt, wenn

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