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Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johnson
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den fast zweitausend Hektar des Flughafens Kennedy bloßgelegt, der so groß ist wie ganz Manhattan südlich der 42. Straße. Der Flughafen steht dicht voll mit Lagerhallen, und Berge unbewachten Frachtguts sind noch auf den Vorfeldern aufgetürmt. Mehr als 40 000 Menschen arbeiten auf dem Flughafen.
    …
    Benutzung gefälschter Papiere
    Am 27. Februar fuhren zwei Männer einen Lieferwagen in die Frachthalle der K. L. M. Königlich Holländische Luftfahrtgesellschaft, wiesen gefälschte Papiere vor, auf denen so etwas wie ein Zollsiegel der Vereinigten Staaten zu erkennen war, luden die $ 508 000-Lieferung des seltenen Metalls aus der Sowjetunion auf, lächelten einem Wächter zu und fuhren davon. Der Luftlinie war nicht bewußt, daß sie bestohlen worden war, bis fünf Stunden danach Vertreter des wahren Adressaten in einem gepanzerten Lastwagen vorfuhren und die Lieferung verlangten.
    Die Polizei der Hafenbehörde verficht die Meinung, der Diebstahl wäre verhindert worden, wenn K. L. M., dreimal beraubt in den letzten beiden Jahren, sie benachrichtigt hätte, als die beiden Männer in dem Lieferwagen das Metall abholten. Leutnant John Lefsen, Leiter der Frachtgutabteilung in seiner Dienststelle, sagte:
    ›Wären wir angefordert worden zur Überwachung bei der Verladung der Lieferung, wir hätten gleich gemerkt, daß da was nicht stimmte. Engelhard [der Empfänger] kommt immer mit einem Panzerwagen, und das da war bloß ein alter, abgestoßener grüner Lastwagen, da fehlten ja Bodenbretter.‹
    Nach Auskunft informierter Kreise hatten die Diebe im voraus die Flugnummer der kostbaren Fracht gewußt, die in zwei Portionen ankam, und die genaue Zahl der Teile in jeder Lieferung.«
    © by the New York Times Company

    » EINEN GLÜCKLICHEN MUTTERTAG wünschen Sylvia, der besten Mutter in der Welt, ihre Kinder Ellen, Peter Frank und Amy.«
    (Bekanntgaben an das Publikum und kommerzielle Anzeigen.)
    13. Mai, 1968 Montag
    Morgens war der Park so dicht verpackt in graues Licht, daß das Jahr schon wieder auf den Winter zuzulaufen schien.
    Ein Direktor des Instituts für Internationale Politik und Wirtschaft zu Prag schreibt in einer Zeitschrift der Columbia-Universität zu New York von einer Lizenz der sozialistisch verwalteten Nationen, Politik auch nach ihren eigenen Bedürfnissen zu betreiben, und warum nicht eine Zusammenarbeit mit kapitalistisch verwalteten Nationen. Aber der Artikel ist verfaßt vor den moskauer Konferenzen, und vor den Märschen der sowjetischen Panzer in Polen.
    In Paris hingegen verstehen die Arbeiter, was die Studenten sprechen und wollen ihnen gegen die Regierung helfen mit einem Generalstreik für einen Tag und eine Nacht.
    Die Angestellte Cresspahl soll an diesem Vormittag etwas lernen, etwas aus den kleineren Schubladen de Rosnys, und gehorsam ist sie erschienen in einem Kleid, wie man es entfernten Freunden der Familie bei einem Begräbnis zugesteht. Es ist für die anderen Beteiligten aber ein freudiger Anlaß, eine jährliche Versammlung von Aktionären einer befreundeten Firma, und sie soll es einmal nicht in Filmen sehen oder aus der Financial Times raten, sondern von nahem teilnehmen. Damit sie weiß, wie es gemacht wird, als dürfte sie eines Tages da mittun.
    – Ich soll doch bloß ein Konto führen für Prag: sagte sie de Rosny am Telefon, er hätte ihr Verlegenheit und Widerstreben anhören können, aber wieder einmal fühlte der Chef sich als Wohltäter und wollte ihr die Erfahrung schenken. Er habe auch einmal klein angefangen.
    Die Aktionäre stehen in kumpelhaften Gruppen, einverstanden plaudernd, in einem fensterlosen Flur des 28. Stockwerks, als wären sie zu einer lästigen Gesellschaft zusammengekommen und freuten sich darauf, weniger diese Gelegenheit zu feiern als das Ende davon. Es steht auch ein Mann allein, mit dem Rücken zur Wand, drahtig, den Blick nach innen, als memoriere er etwas und sei dabei doch durch das Warten auf den Startschuß gestört. So kann es auch zugehen vor der Eröffnung einer Ausstellung von Gemälden. Nach einem Klassentreffen sieht es aus um den Generaldirektor des Unternehmens, einen großen Wikinger, der seinen Quadratschädel still und schräg hält, als höre er nur zu und denke an nichts als die jungenhafte Frisur, die er mit der einen Hand umbaut, aber gerade er zieht fröhliches Gedränge an, von fernher gerufene Begrüßungen, erwidert sie mit kurzen, salzigen Frotzeleien. Dem sollte die Angestellte Cresspahl so nahe kommen, daß er

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