Jahrmarkt der Eitelkeit
Kirsch war nicht von der Flasche wegzubringen, und er konnte auch nie sagen, wieviel er getrunken hatte. Er war oft selbst darüber erstaunt, wie schnell Mr. Sedleys Kognak zur Neige ging. Nun, das ist ein peinliches Thema, aber Becky trank wahrscheinlich nicht mehr so viel wie früher, ehe sie in eine anständige Familie eintrat.
Endlich trafen die vielgerühmten Koffer aus Leipzig ein – es waren drei, und sie waren weder groß noch prächtig. Becky schien auch weder Kleider noch Schmuck herauszunehmen, als sie endlich angekommen waren. Aus dem einen, der ihre ganzen Papiere enthielt (es war derselbe, den Rawdon Crawley auf seiner wütenden Jagd nach Rebekkas verstecktem Geld geplündert hatte), holte sie strahlend ein Bild, das sie in ihrem Zimmer aufhängte und Joseph zeigte. Es war eine Bleistiftzeichnung von einem Herrn, und sein Gesicht war sehr vorteilhaft rosa getönt. Er ritt auf einem Elefanten vor ein paar Kokospalmen und einer Pagode im Hintergrund. Der Schauplatz war eine orientalische Landschaft.
»Gott behüte mich! Das ist ja mein Porträt!« rief Joseph. Er war es tatsächlich in der Blüte seiner Jugend und Schönheit und in einer Nankingjacke nach der Mode von 1804. Es war das alte Bild, das am Russell Square gehangen hatte.
»Ich habe es gekauft«, sagte Becky mit vor Bewegung zitternder Stimme. »Ich ging damals hin und wollte sehen, ob ich meinen gütigen Freunden irgendwie behilflich sein könnte. Ich habe mich von dem Bild nie getrennt und werde es auch niemals tun.«
»Tatsache?« rief Joseph mit einem Blick der Genugtuung und des unaussprechlichen Entzückens. »Schätzen Sie es wirklich um – um – um meinetwillen?«
»Das wissen Sie ja«, antwortete Becky. »Warum aber jetzt davon reden – warum daran denken – warum zurückblicken? Nun ist es zu spät!«
Die Unterhaltung dieses Abends war für Joseph köstlich. Emmy kam nur herein, um zu sagen, daß sie müde sei und sich nicht wohl fühle und zu Bett gehe. Joseph und sein schöner Gast hatten ein bezauberndes Tête-à-tête, und seine Schwester, die im angrenzenden Zimmer wach lag, konnte hören, wie Rebekka Joseph die alten Lieder von 1815 vorsang. In dieser Nacht konnte er merkwürdigerweise ebensowenig schlafen wie Amelia.
Es war Juni und demnach Hochsaison in London. Joseph, der täglich den unvergleichlichen »Galignani«, den besten Freund im Exil, las, erfreute die Damen beim Frühstück mit Auszügen aus seiner Zeitung. Einmal wöchentlich bringt dieses Blatt einen vollständigen Bericht über Truppenbewegungen, für den Joseph als Mann, der auch Pulver gerochen hatte, sich besonders interessierte. Eines Tages las er vor: »Ankunft des ...ten Regiments. – Gravesend, den 20. Juni. Der Ostindienfahrer ›Ramchunder‹ lief heute früh mit vierzehn Offizieren und 132 Soldaten dieses tapferen Regiments an Bord in die Themse ein. Sie waren vierzehn Jahre von England abwesend. Sie spielten eine aktive Rolle in der glorreichen Schlacht bei Waterloo und wurden im darauffolgenden Jahr nach Indien eingeschifft. Später haben sie sich im burmesischen Krieg ausgezeichnet. Gestern landeten hier der altgediente Oberst Sir Michael O'Dowd, Träger des Bathordens, mit seiner Gemahlin und seiner Schwester sowie die Hauptleute Posky, Stubble, Macraw, Malony, die Leutnants Smith, Jones, Thompson, F. Thomson und die Fähnriche Hicks und Grady. Das Musikkorps auf der Mole spielte die Nationalhymne, und die Menge ließ die tapferen Veteranen hochleben, als sie zu Waytes Hotel gingen, wo ein prächtiges Bankett die Verteidiger des guten alten Englands erwartete. Während des Festmahls, das selbstverständlich im besten Wayteschen Stil vor sich ging, dauerten die begeisterten Hochrufe immer noch an, so daß Lady O'Dowd und der Oberst auf den Balkon heraustraten und die Gesundheit ihrer Landsleute mit einem Glas von Waytes bestem Rotwein ausbrachten.«
Bei anderer Gelegenheit las Joseph eine kurze Mitteilung: »Major Dobbin hat sich dem ...ten Regiment in Chatham angeschlossen.« Und etwas später verlas er die Berichte über die Vorstellung bei Hofe, und zwar von Oberst Sir Michael O'Dowd, Lady O'Dowd (durch Mrs. Molloy Malony von Ballymalony) und Miss Glorvina O'Dowd (durch Lady O'Dowd). Kurze Zeit danach erschien Dobbins Name unter den Oberstleutnants. Der alte Marschall Tiptoff war während der Überfahrt des ...ten Regiments von Madras gestorben, und der König hatte geruht, Oberst Sir Michael O'Dowd bei seiner Rückkehr nach England
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