Jahrmarkt der Eitelkeit
Wahrheit zu sagen, soweit er sie kennt, mag er nun eine Schellenkappe oder einen Pfarrershut tragen; und im Laufe eines solchen Unternehmens kommt nun eben eine Masse Unangenehmes zur Sprache.
Ich habe in Neapel einen Kollegen gehört, einen Mann aus dem Geschichtenerzähler-Gewerbe, wie er einem Rudel ehrlicher, fauler Nichtsnutze am Meeresufer predigte und sich dabei in eine solche Wut und Leidenschaft über einige der Bösewichter steigerte, deren verruchte Taten er beschrieb oder erfand, daß er seine Zuhörerschaft mitriß; sie brachen mit dem Dichter in ein Gebrüll von Flüchen und Verwünschungen gegen das erdichtete Scheusal der Erzählung aus, so daß inmitten eines Sturmes von Mitgefühl der Hut herumging und die Bajocchi 10 hineinfielen.
In den kleinen Pariser Theatern hört man andererseits nicht nur die Leute »Ah, gredin! Ah, monstre!« 11 brüllen und den Tyrannen des Stückes von den Logen herab verwünschen, sondern die Schauspieler selbst weigern sich entschieden, die Schurkenrollen, wie zum Beispiel infâmes Anglais 12 , brutale Kosaken, und was es sonst noch davon gibt, zu übernehmen, und ziehen es vor, bei kleinerer Gage in ihrem wirklichen Charakter als ehrenwerte Franzosen aufzutreten. Ich stelle die beiden Geschichten einander gegenüber, damit man sehen kann, daß der Puppenspieler dieses Stückes seine Schurken nicht aus rein eigennützigen Gründen zeigt und durchprügelt, sondern weil er ihnen gegenüber einen aufrichtigen Haß hegt, den er nicht zu unterdrücken vermag und der sich in Schimpfreden und mit bösen Worten Luft machen muß.
Ich bereite daher meine gütigen Freunde darauf vor, daß ich eine Geschichte erzählen werde, in der viele abscheuliche Schurkereien und verwickelte – aber hoffentlich interessante – Verbrechen vorkommen werden. Meine Schurken sind ganze Kerle, das verspreche ich euch. Wenn wir an die passenden Stellen kommen, wollen wir es an schönen Worten nicht fehlen lassen, nein, bestimmt nicht! Wenn wir aber durch die stille Landschaft wandeln, müssen wir notgedrungen ruhig sein. Ein Sturm im Wasserglas ist abgeschmackt. Das sparen wir lieber für den gewaltigen Ozean oder die einsame Mitternacht. Dieses Kapitel hier ist noch sehr sanft. Andere – doch wir wollen nicht vorgreifen.
Auch möchte ich, während unsere Darsteller ihren Weg gehen, mir als Mensch und Bruder die Erlaubnis erbitten, sie nicht allein vorzustellen, sondern auch gelegentlich von der Bühne herabzusteigen und über sie zu sprechen. Sind sie gut und freundlich, will ich sie lieben und ihnen die Hand schütteln, sind sie dumm, mir mit dem Leser ganz insgeheim ins Fäustchen lachen, sind sie aber böse und herzlos, will ich sie so energisch ausschelten, wie es die Höflichkeit erlaubt.
Sonst würde der freundliche Leser am Ende noch meinen,
ich
verhöhnte die Abendandacht, die Miss Sharp so lächerlich findet; oder
ich
lachte über den schwankenden alten Silen 13 von einem Baronet, während doch das Gelächter von einer Person herrührt, die nichts hochachtet als ihr Wohlergehen und kein Auge für etwas anderes als ihren Erfolg hat. Solche Leute leben in der Welt und kommen vorwärts – ohne Glauben, ohne Liebe, ohne Hoffnung. Diese, meine Freunde, wollen wir uns mit aller Kraft vornehmen. Es gibt auch Leute darunter, die Erfolg haben und bloß Pfuscher und Narren sind, und um diese zu bekämpfen und bloßzustellen, wurde zweifellos das Lachen geschaffen.
9. Kapitel
Familienporträts
Sir Pitt Crawley war ein Philosoph, mit einem Hang zum Ordinären. Seine erste Ehe mit der Tochter des edlen Binkie war unter der Beihilfe seiner Eltern zustande gekommen. Da er Lady Crawley zu ihren Lebzeiten oft wiederholt hatte, sie sei eine verdammt zänkische, vornehme Hexe und er lasse sich lieber hängen, als nach ihrem Tode wieder eine ihres Schlages zu nehmen, so hielt er nach dem Hinscheiden der Lady sein Wort und nahm als zweite Frau Miss Rose Dawson, Tochter von Mr. John Thomas Dawson, Eisenhändler in Mudbury. Welch ein Glück für Rose, Lady Crawley zu werden!
Wir wollen nun die Posten ihres Glückes aufzählen. Erstens gab sie den jungen Peter Butt auf, mit dem sie eine Liebschaft hatte und der sich nun infolge seiner unglücklichen Liebe auf Schmuggeln, Wildern und tausend andere schlimme Dinge verlegte. Zweitens brach sie pflichtschuldigst mit allen Freunden und Vertrauten ihrer Jugend, die sie als Lady von Queen's Crawley natürlich nicht empfangen konnte – fand aber in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher