Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Makepeace Thackeray
Vom Netzwerk:
interessanter geworden, denn das hat in der Person eines jungen Doktors einen neuen Besucher ins Schloß geführt. Weißt Du, meine Liebe, junge Mädchen brauchen niemals zu verzweifeln. Der junge Doktor gab einer gewissen Freundin von Dir zu verstehen, daß sie, wenn sie Mrs. Glauber werden wolle, sehr gern die Zierde seiner Praxis werden könne! Ich antwortete auf seine Unverschämtheit, daß vergoldete Mörser und Stößel wohl Zierde genug seien – als ob ich zur Frau eines Landarztes geboren wäre! Mr. Glauber ging nach diesem Korb ernstlich mitgenommen nach Hause, trank dort etwas Kühlendes und ist jetzt wieder vollkommen hergestellt. Sir Pitt billigte meinen Entschluß entschieden; ich glaube, er würde seine kleine Sekretärin nur ungern verlieren, und ich bin der Ansicht, der alte Schuft hat mich so gern, wie er nur überhaupt jemanden gern haben kann. Heiraten, mein Gott! Und noch dazu einen Landarzt, nachdem ... Nein, nein, man kann alte Verbindungen nicht so schnell vergessen, aber davon will ich nicht mehr sprechen. Kehren wir nach Schloß Einerlei zurück!
    Seit einiger Zeit ist es nicht mehr Schloß Einerlei. Stell Dir vor, meine Liebe, Miss Crawley ist angekommen mit ihren dicken Pferden, ihren dicken Bedienten und ihrem dicken Schoßhund – die bedeutende, reiche Miss Crawley, mit siebzigtausend Pfund in fünfprozentigen Papieren, die – nicht Miss Crawley, sondern eher das Geld – ihre zwei Brüder anbeten. Sie sieht sehr apoplektisch aus, die gute Seele; kein Wunder also, daß ihre Brüder ängstlich um sie besorgt sind. Du solltest nur sehen, wie sehr sie miteinander wetteifern, wenn es gilt, ihr die Kissen zurechtzurücken oder den Kaffee zu reichen! »Wenn ich aufs Land fahre«, sagte sie (denn sie hat Sinn für Humor), »lasse ich meine Speichelleckerin, Miss Briggs, zu Hause. Hier sind meine Brüder meine Speichellecker, und wahrhaftig, ein hübsches Paar!«
    Wenn sie zu uns aufs Land kommt, so hat unser Schloß offene Türen, und mindestens einen Monat lang könnte man sich einbilden, der alte Sir Walpole sei wieder lebendig geworden. Wir geben Gesellschaften, fahren vierspännig aus, die Diener tragen das neueste Kanariengelb, wir trinken Rotwein und Champagner, als ob wir nie etwas anderes bekämen. Im Unterrichtszimmer haben wir Wachskerzen und Feuer, um uns aufzuwärmen. Lady Crawley muß das schönste Erbsengrüne anziehen, das ihre Garderobe aufzuweisen hat, und meine Schülerinnen legen ihre dicken Schuhe und engen alten Schottenkittel ab und tragen seidene Strümpfe und Musselinröcke, wie es sich für Baronetstöchter von Welt schickt. Rose kam gestern übel zugerichtet heim – die Wiltshire-Sau, ihr erklärter Liebling, hatte sie umgerannt und war auf ihrem hübschen, lilageblümten Seidenkleid herumgetrampelt. Wäre dies vor einer Woche geschehen, so hätte Sir Pitt greulich geflucht, das arme Ding tüchtig geohrfeigt und sie einen Monat lang auf Wasser und Brot gesetzt. Alles, was er jetzt sagte, war: »Warte nur, bis deine Tante fort ist«, und dabei lachte er über den Vorfall, als sei es etwas ganz Unbedeutendes. Wir wollen hoffen, daß sein Zorn verflogen ist, wenn Miss Crawley abreist. Ich hoffe es sehr um Miss Roses willen. Was für ein bezaubernder Versöhner und Friedensstifter doch das Geld ist!
    Eine weitere wunderbare Wirkung Miss Crawleys und ihrer siebzigtausend Pfund zeigt sich in dem Betragen der beiden Brüder Crawley. Ich meine den Baronet und den Pfarrer, nicht unsere Brüder. Die beiden, die sich das ganze Jahr über hassen, werden zu Weihnachten ganz liebevoll gegeneinander. Ich habe Dir im vergangenen Jahre geschrieben, wie der abscheuliche Pferderenn-Pfarrer uns in der Kirche andauernd mit plumpen Predigten auf den Leib rückt und wie Sir Pitt mit Schnarchen antwortet. Sobald aber Miss Crawley kommt, hört man nichts mehr von Zank und Streit, das Schloß besucht das Pfarrhaus und umgekehrt, der Pfarrer und der Baronet unterhalten sich freundschaftlich ohne jeglichen Zank beim Wein über Schweine und Wilddiebe und Grafschaftsgeschäfte. Miss Crawley will tatsächlich nichts von ihren Streitereien wissen und schwört, sie werde ihr Geld den Shropshire Crawleys hinterlassen, wenn man sie ärgere. Wenn diese Shropshire Crawleys nur ein bißchen schlau wären, so könnten sie wahrscheinlich alles bekommen; der Shropshire Crawley ist jedoch Geistlicher wie sein Hampshire-Vetter und hat Miss Crawley durch seine engstirnigen Moralauffassungen tödlich

Weitere Kostenlose Bücher