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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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des Versprechens nahe, das der Zeltevangelist ihm gegeben hatte: «Es steht alles in der Heiligen Schrift.» Hier lag der Schlüssel zum Reichtum. Denn in dem abgegriffenen, schmutzigen Exemplar der Heiligen Schrift fand Sears, gierig und von seinem Traum geblendet, den Keim zu dem Anschlag, der die reichste Frau der Welt berauben und ihm selbst ein bequemes Leben verschaffen sollte. Und als später der Junge in den grauen Schlafsaal kam, setzte das in Joes Augen das Siegel unter seinen Plan.
    Der dunkeläugige, schwarzhaarige Junge in abgetragener Seemannsjacke und Schirmmütze, der seinen Seesack auf die übernächste Pritsche warf, war für Sears eine Gestalt aus dem Alten Testament, in das er sich versenkt hatte.
    So mußte der junge Jakob oder David — oder sogar der Erzengel — ausgesehen haben: schlank, leidenschaftlich finster, mit dunklen, glühenden Augen, die gleichzeitig von Feuer und unendlichem Kummer des Erlebens erfüllt waren. Da war die schmale Adlernase der hochgezüchteten Rasse, doch die Lippen und die festen Wangen waren die eines Kämpfers.
    Aber außer der semitischen Schönheit, der stolzen Haltung und der Aura des Selbstvertrauens, die diesen Seemann umgab, wurde sich Sears noch einer anderen Sache bewußt, die ihn zunächst verblüffte, die jedoch dann, als er sie identifizierte, ein Frohlocken in seiner Brust und ein Sirren in seinen Nerven hervorrief, wie es stets geschah, wenn ihm das Glück über den Weg lief. Der Junge wirkte völlig alterslos.
    Er konnte nach Joes Urteil ein-, zweiundzwanzig sein, wenn man jedoch die Mundwinkel oder den Ausdruck der Augen betrachtete, fünfzig, zweiundsiebzig oder hundert. Die Beschaffenheit seiner Haut und die schweren Augenlider waren von einer sonderbaren Zeitlosigkeit.
    Plötzlich spürte Sears, daß der Junge nur eine kurze Unterbrechung in tausend Generationen war — junger Mann, Patriarch, alles zugleich.
    Sears war’s, als ob er die entscheidende Trumpfkarte gezogen hätte, die zu seinem Spiel noch fehlte, und die Räder seines Geistes drehten sich rasend, während er überlegte, wie er sich den Jungen für seine Bedürfnisse zunutze machen könnte. Doch er ritt noch immer auf dem Wogenkamm des Glücks — die Ereignisse übernahmen das Weitere.
    Die Anwesenheit des Jungen rief Unruhe in dem vom Abschaum der Tagediebe, Landstreicher und Heruntergekommenen, vom Treibgut am Rand der Flut in Los Angeles besetzten Schlafsaal hervor. Seine Jugend, die Selbstbeherrschung, vor allem die klare wunderbare Schönheit waren eine Beleidigung für sie alle. Fast sofort machte sich animalische Feindseligkeit bemerkbar.
    Ein dickarmiger, dickbäuchiger Kneipensitzer auf der Nachbarpritsche ließ seine Bilderzeitung sinken und sagte in dem unangenehmen hohen Ton des Männchens, das auf häßliche Dinge aus ist: «Du bist doch ‘n Jude, stimmt’s?»
    Der Junge erwiderte: «Ja, das bin ich. Hast du was dagegen?» Er schleuderte es dem Bierbauch entgegen und sah ihn dabei herausfordernd an. Zu Sears’ Überraschung sprach er mit britischem Akzent.
    Bierbauch stand auf und erwiderte: «Ich werde dir zeigen, was ich dagegen habe. Mach, daß du rauskommst! Ich kann die Tommys nicht leiden und Juden erst recht nicht.»
    Sears’ Geist rechnete mit Blitzgeschwindigkeit: Wenn der Junge frech wird, schlägt Bierbauch ihn halbtot. Das heißt, ich muß mich einmischen. Ich brauche ihn. Auf diese Weise werde ich gleich mit ihm bekannt. Aber ich kann Prügeleien nicht ausstehen. Wenn ich mich auf seine Seite stelle, greifen die andern ein. Der Junge sieht aus, als ob man mit ihm Erfolg haben könnte. Das wird eine scheußliche Geschichte...
    Bierbauch sagte: «Ach, sieh mal an, du willst Krach?» Ein Lastwagenfahrer mischte sich ein: «Ich rate dir, hau ab, Junge, solange du noch laufen kannst!» Zwei mächtige Holzfäller bauten sich grinsend neben Bierbauch auf; sie freuten sich schon auf den Spaß. Sears erhob sich, ging hinüber und stellte sich neben den jungen Seemann. «Ich nehme diese Seite», bemerkte er bündig.
    Der Junge warf ihm einen kühlen Blick zu und sagte: «Ich brauche dich nicht!» Und dann: «Paß auf dich selber auf! Sie kommen!» Sears hatte den merkwürdigen Eindruck, daß der Junge in dem Augenblick innerlich lachte.
    Bierbauch zielte einen Tritt nach der Leistengegend des Seemanns, doch der Junge war bereits außer Reichweite, ehe der andere noch recht begonnen hatte; dann schlug er hart zu. Man hörte Knochen krachen und einen erstickten

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