Jan Fabel 04 - Carneval
lächelte bitter und betrachtete die Leiche des Mannes, dem er einen Dolchstoß versetzt und den sie mit zwei Schüssen getroffen hatte. Er hatte wenigstens einen der Männer lebend gefangen nehmen und verhören wollen. Der Fangschuss der ukrainischen Schönheit war ihm unnötig erschienen, doch da sie ihn gerade davor gerettet hatte, wie ein Schwein geschlachtet zu werden, verzichtete er auf einen Kommentar.
Der Speznas-Befehlshaber kehrte aus dem anderen Zimmer zurück. Wie Buslenko war Petro Samoljuk Sokil-Offizier.
»Es ist leer.«
»Was soll das heißen – ›leer‹? Er war da drin«, sagte Buslenko. »Um uns zu beobachten. Ich bin mir sicher.«
Petro Samoljuk zuckte die Schultern unter der schwarzen Schutzweste. »Jetzt ist niemand mehr da.«
»Sind Sie wirklich sicher, dass er es war?«, fragte die ukrainische Schönheit.
»Unser Hauptziel war dort, verdammt noch mal. Ich habe es gespürt. Und nur deshalb sind wir hier. Die Meldung, dass er mit seiner Gruppe hier sein würde, hätte nicht verlässlicher sein können. Aber er …« Buslenko nickte zu der Leiche des narbigen Russen hinüber. Ein dunkelroter Glorienschein hatte sich unter der Austrittswunde in seinem Schädel gebildet. »Er passt einfach nicht ins Bild. Was hatte Dmitri Kotkin hier zu suchen?«
»Er gehörte zur Organisation. Warum sollte er nicht hier sein?«
»Die richtige Organisation, aber die falsche Abteilung. Er war ein Molokow-Mann.« Buslenko hatte den Blick noch immer auf die schwarze Glaswand gerichtet. »Und es war nicht Molokow, der uns hinter der Wand beobachtet hat. Es war der Boss selbst. Wassil Witrenko. Irgendein bedeutendes Geschäft hat ihn zurückkehren lassen. Etwas wirklich Wichtiges, denn sonst hätte er kein solches Risiko auf sich genommen. Und sogar Kotkin hatte einen viel zu hohen Rang, um Schläger anzuwerben. Er hatte ein Niveau erreicht, auf dem er immer weniger sichtbar geworden ist.«
»Jedenfalls haben wir diesen Laden luftdicht versiegelt. Wer immer Ihrer Meinung nach dort gewartet hat, hätte nicht entkommen können.« Die Ukrainerin folgte Buslenkos Blick zum Nachbarzimmer. »Es war ohnehin nur eine Spekulation, Taras. Unsere Informationen haben sich widersprochen. Wir hatten Meldungen, dass sich Witrenko wieder in der Ukraine aufhält, und genauso verlässliche Auskünfte, dass er noch in Deutschland ist.«
»Na gut«, seufzte Buslenko und wandte sich der schönen Olga Sarapenko zu, die als Hauptmann in der Kiewer Miliz diente und eine so überzeugende Nachtclubkellnerin abgegeben hatte. »Meine Großmutter pflegte zu sagen: Der Teufel ist verschlagen genug, um an zwei Orten gleichzeitig zu sein.«
5.
Fabel wartete vor Kriminaldirektor van Heidens Büro darauf, hereingerufen zu werden, und dachte daran, dass er bald jemand anders werden würde. Alle außer Susanne schienen ihr Bestes zu tun, um ihn davon abzubringen. Er vermutete, dass auch van Heiden einen neuen Versuch unternehmen würde.
Sein Abschied von der Hamburger Polizei sollte ihm vor allem ermöglichen, sich vom Tod zu entfernen. Sein gesamter beruflicher Werdegang war von dem gewaltsamen Eindringen des Todes in sein Leben geprägt gewesen. Der junge Fabel hatte nie beabsichtigt, Polizist zu werden, sondern war mit der absoluten Gewissheit der Jugend davon überzeugt gewesen, dass er als Historiker arbeiten würde. Aber dann hatte sich der Tod in seiner abruptesten und brutalsten Gestalt Jan Fabel in den Weg gestellt.
Es war geschehen, während Fabel noch an der Universität Hamburg studierte. Er war erst seit ein paar Wochen mit Hanna Dorn, der Tochter seines Geschichtsprofessors, befreundet gewesen, als ein Psychopath sie rein zufällig zu seinem nächsten Opfer machte. Er wusste, dass Hanna Dorn allein nie solche Spuren in seinem Leben hinterlassen hätte. Ohne das Trauma ihrer Ermordung wäre sie längst in seiner Erinnerung verblichen. Unzweifelhaft hätte ihre Beziehung eine Weile angedauert. Sie wären auf Partys gegangen, hätten, wenn sie es sich leisten konnten, in Restaurants gegessen und sich mit Freunden getroffen. Jedes Mal, wenn Fabel an sie zurückdachte, war ihm klar, dass sie nicht zusammengeblieben wären und dass sich Hanna Dorn in die fernen Winkel seines Gedächtnisses zurückgezogen hätte. Ein Name, der ihm in Erinnerung gerufen werden musste. Nicht Hannas Anwesenheit in seinem Leben hatte Fabel für immer gezeichnet, sondern ihre plötzliche Abwesenheit.
Nachdem Fabel versucht hatte, Hannas Tod zu
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