Jan Fabel 04 - Carneval
Polizeipräsidium tätig sein«, fuhr Wagner fort, »und auch wie in den letzten fünfzehn Jahren in Hamburger Fällen ermitteln. Aber wir würden Ihnen zusätzliches Personal und Ressourcen zum Aufbau der Sondereinheit zuteilen. Wann immer ein Fall Ihre speziellen Fähigkeiten und Ihre Sichtweise verlangt, würde sich Ihre Truppe einschalten.«
»Ich fühle mich sehr geschmeichelt, aber …«
Van Heiden schnitt ihm das Wort ab. »Die Sache hat nichts mit Schmeichelei zu tun. Es ist eine Gelegenheit für die Polizei Hamburg, sich in ganz Europa, ja in der ganzen Welt, einen Ruf als Eliteorganisation zu erwerben – ähnlich, wie das Institut für Rechtsmedizin in Eppendorf auf seinem Gebiet global führend ist.«
»Aber es würde sich doch bestimmt um eine BKA-Abteilung handeln?«
»Sie würden wie bisher der Polizei Hamburg angehören«, erwiderte Wagner, »aber fallweise zum BKA abgeordnet werden. Ihre erweiterte Verantwortung würde sich in einem höheren Gehalt widerspiegeln. Aber wenn Sie wollten, könnten wir die Dinge unverändert lassen und Sie, äh, als bundesweiten Berater heranziehen.«
Fabel dachte einen Moment lang über das Angebot nach. »Das ist alles sehr interessant und eine aufregende Chance für einen ehrgeizigen Beamten. Aber nicht für mich. Ich versuche, mich dem Tod vor meiner Haustür zu entziehen, und ich möchte nicht herumreisen, um mich noch mehr Fällen zu widmen. Es tut mir leid, meine Herren.« Fabel stand auf. »Ich habe meine Entscheidung getroffen.«
»Dies ist wirklich eine einzigartige Gelegenheit«, versuchte es Wagner noch einmal.
»Herr Wagner, ich weiß Ihr Angebot zu schätzen. Aber es wird Zeit für mich, etwas Neues anzufangen.« Fabel hielt inne. »Ich habe die Orientierung verloren. Als ich Polizist wurde, war alles ganz einfach. Ich wusste, welchen Platz ich in der Welt hatte, nämlich einen zwischen den gewöhnlichen Bürgern und jenen, die ihnen Schaden zufügen wollten.«
»Das ist eine ziemlich gute Definition eines Polizeibeamten«, sagte van Heiden. »Und sie gilt heute nicht weniger als bei Ihrem Arbeitsantritt.«
»Mag sein«, erwiderte Fabel mit einem Seufzen. »Aber im Laufe der Jahre … ist alles weniger durchschaubar geworden. Abstrakter, könnte man sagen. Die Kriminellen, die ich gejagt habe, und die Dinge, die ich tun musste … Ich hatte nie geplant, mich auf all die finsteren Begleiterscheinungen einzulassen.«
Nach einer Pause meinte Wagner ein wenig unsicher: »Ich habe erwähnt, dass ich nur zu vertraut mit Wassil Witrenko bin … Mir ist klar, dass es zwischen Ihnen mancherlei … Unerledigtes gibt. Und ich weiß tatsächlich einiges über Witrenko. Sein neuer Partner Molokow und er sind die bei Weitem mächtigsten Figuren im europäischen Menschenhandel. Sie verkaufen Frauen und Kinder aus Osteuropa und Asien in die sexuelle und sonstige Sklaverei. Und sie benutzen Deutschland nicht nur als Hauptmarkt, sondern auch als Tor zum übrigen Westen. Wir haben eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, um Witrenko zu finden und ihn ein für alle Mal außer Gefecht zu setzen. Wenn Sie Ihre Pläne ändern würden, könnte es Ihre erste Aufgabe sein, ihn zusammen mit uns unschädlich zu machen.«
»Warum glaubt jeder, Einblick in meine Motive zu haben? Was wissen Sie denn über die Umstände der damaligen Situation, als Maria fast erstochen wurde?« Fabel hatte Mühe, den in ihm aufflammenden Zorn zu beherrschen. »Dies ist das wirkliche Leben, kein amerikanischer Kitschfilm. Ich werde nicht von dem Wunsch nach Rache verzehrt, und es kommt mir nicht auf eine letzte Kraftprobe an. Witrenko ist nicht mein Problem. Jedenfalls nicht mehr.«
»Das entspricht auch nicht unserer Arbeitsweise«, entgegnete Wagner, und Fabel merkte, dass er den BKA-Mann erzürnt hatte. »Persönlicher Hass interessiert mich ebenfalls nicht. Ich dachte nur, dass Sie als professioneller Ermittler einen Fall abschließen wollten, in dem Sie sich so stark engagiert haben. Und wir sind der Meinung, dass Sie eine Menge zu bieten haben. Niemand ist der Verhaftung von Witrenko je so nahegekommen wie Sie und Frau Klee. Ihre Erkenntnisse könnten äußerst wertvoll sein. Außerdem haben wir viel, viel mehr Informationen über Witrenko als zum Zeitpunkt Ihrer letzten Begegnung mit ihm. Zum ersten Mal haben wir einen Informanten in der Witrenko-Molokow-Organisation, und uns liegt das ausführlichste Dossier vor, das je über ihn angelegt worden ist. Mithilfe unserer
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