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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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saß, befand sich im ersten Stock der Zentrale in der Normannenstraße. Der ein­drucksvolle Konferenzsaal war mit Eichenholz getäfelt, und eine große, Ost und West umfassende Deutschlandkarte be­herrschte die eine Wand. Neben der Karte hing das gerahmte Wappen des Ministeriums, das sich als »Schild und Schwert der Partei« verstand. Wie ein Flugzeugträger beherrschte ein mäch­tiger Konferenztisch aus Eiche die Mitte des Zimmers. Eine kleine Lenin-Büste stand in der Ecke, und von der gegenüber­liegenden Wand blickten Porträts von Generalsekretär Erich Honecker und Staatssicherheitsminister Erich Mielke finster auf die am Tisch Versammelten hinunter.
    Dies war der Raum des Ministeriums, in dem man sich beratschlagte, Strategien verabschiedete und Taktiken plante. Hier schmiedete die erfolgreichste Geheimpolizei der Welt Ränke gegen ihre Feinde im Ausland und gegen ihr eigenes Volk.
    Die Stasi hatte noch andere Räume in diesem Gebäudekom­plex und im nur ein paar Kilometer nördlich gelegenen Hohen­schönhausen. Dort wurden keine Beratungen abgehalten. Et­liche Lagerräume waren mit Unterwäsche vollgestopft, die man heimlich aus den Schubladen möglicher Regimekritiker entwen­det hatte. Jedes Stück war mit einem Namen und einer Num­mer gekennzeichnet, damit, wenn sich die Notwendigkeit ergab, die speziell abgerichteten Spürhunde der Stasi einer bestimmten Witterung folgen konnten. In anderen Räumen wurden Abhör­geräte und Spezialwaffen entworfen und hergestellt sowie Gifte und Seren entwickelt und getestet, und in noch anderen schrieb man zahllose Stunden abgehörter Gespräche nieder, entwickelte Tausende von Fotos und begutachtete Kilometer heimlich ange­fertigter Filme und Videobänder. Ganze Stockwerke der Stasi-Zentrale waren mit dem umfassenden Aktenarchiv über Bür­ger der DDR gefüllt. Kein Staat hatte je so viele Informationen über sein eigenes Volk angehäuft. Informationen, die durch das Stasi-Netz aus 91000 Agenten und 300000 gewöhnlichen Bür­gern gesammelt wurden. Die Letzteren arbeiteten »inoffiziell« mit dem Ministerium zusammen - zum Wohle des Staates, aus Geldgründen oder zum Zweck der Beförderung. Oder auch nur, um nicht selbst ins Gefängnis zu kommen. Einer von fünfzig Angehörigen der ostdeutschen Bevölkerung bespitzelte Nach­barn, Freunde und Familienmitglieder.
    Und natürlich gab es noch weitere Räume: solche mit dick gepolsterten, schalldichten Wänden. Räume, in denen Schmer­zen als Instrument des Staates dienten.
    Aber dies war ein Raum für Gespräche. Drescher kannte den Mann am Kopf des Tisches. Oberst Ulrich Adebach trug Uniform, genau wie der jungenhaft aussehende Leutnant zu seiner Linken, der ein geöffnetes rotes Päckchen Salem vor sich liegen hatte und rauchte. Adebach war ein vierschrötiger Mann in den Fünfzigern mit streng zurückgekämmtem grauen Haar und einem unratsamen Walter-Ulbricht-Spitzbart. Seine Schul­terklappen zeigten den Rang eines Obersten an. Major Georg Drescher dagegen trug eine Sportjacke und Flanellhosen sowie einen Rollkragenpullover. Seine Kleidungsstücke deuteten ver­dächtig auf ein nicht inländisches Design und eine ebensolche Herstellung hin. Allerdings genoss er als Angehöriger der Hauptverwaltung Aufklärung Kontakte zum Westen, die fast all seinen Landsleuten verwehrt waren.
    Drescher kannte weder den Offizier links von Adebach noch die ältere Frau in Zivil, und der Oberst hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie vorzustellen. Der junge Leutnant, dessen Uniformkragen ihm um den Hals schlotterte, war vermutlich Adebachs Adjutant. Wie Drescher bemerkte, zündete er sich, sobald er die vorherige ausgedrückt hatte, eine neue Salem an. Die Luft im Konferenzsaal hatte durch den Zigarettenrauch be­reits eine bläuliche Färbung angenommen.
    Während alle darauf warteten, dass die junge Soldatin des Wachregiments den Kaffee servierte und das Zimmer verließ, betrachtete Drescher die düstere Miene von Staatssicherheits­minister Mielke auf dem Porträt. Wenn Generalsekretär Hone­cker der Tiberius Ostdeutschlands war, dann gab Mielke seinen Sejanus.
    Drescher unterdrückte ein Lächeln. Humor und Fantasie waren keine Merkmale, die an einem Stasi-Vertreter geschätzt wurden, und ein Gefühl der stillen inneren Rebellion war noch weniger willkommen. Drescher verbarg all diese Aspekte seines Charakters den Vorgesetzten und überhaupt allen anderen ge­genüber. Doch insgeheim lehnte er sich auf, indem er in

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