Jan Weiler Antonio im Wunderland
wie ein Weihnachtsengel? Ich koche.
«Wenn du mir das alles vor der Reise gesagt hättest, hätte ich das doch vorbereiten können. Ich hätte deinen komischen Ponti ...»
«Conti!»
«... Conti im Internet gesucht und einen Termin vereinbart.
Man kann bei berühmten Leuten nicht einfach auf der Matte stehen und sagen: Hallo, du kennst mich sicher noch, wir haben uns knapp fünfzig Jahre nicht gesehen. Bitte lass doch mal kurz alles stehen und liegen und komm in deine Heimat, an die du dich wahrscheinlich nicht mehr erinnerst, und baue unsere Stadt neu auf. Geld gibt's übrigens nicht dafür. Wie soll das gehen?»
«Bissen Respekte, wenni bitte darf», sagt Antonio. Er ist ge-kränkt, aber das kann ich jetzt auch nicht ändern. Ich komme gerade erst in Fahrt.
«Was für eine brillante Idee. Wenn wir uns da als Abge-sandte von Campobasso vorstellen, dann nehme ich mal an, dass wir das tun, ohne dass irgendwer in Campobasso davon weiß, richtig?»
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Antonio wiegt den Kopf hin und her und drückt sich vor einer Antwort. Also ist es so, wie ich sage.
«Das kann doch wohl nicht wahr sein.» Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen. Mehr zu mir selbst als zu Antonio mur-mele ich weiter: «Du schleppst mich hierher, ohne auch nur den Funken einer Ahnung zu haben, wie wir den Kerl überhaupt finden sollen.» Ich seufze.
«Da steht doch sischer im Tellefonbuch», mampft Benno dazwischen (Würstchen Nummer 23).
«Wollti grad sagen. Iste alle nickte so schlimm, wie du denkst», fügt Antonio hinzu und lässt seine Goldzähne auf-blitzen. Da könnte er sogar Recht haben. Aber ich bleibe unversöhnlich. Diese Form der Spontaneität geht mir auf die Nerven. Ich bin nun einmal nicht aus seinem Holz. Niemand ist das. Jedenfalls niemand, den ich kenne. Nun zieht Antonio einen Zettel aus der Brusttasche seines Jeanshemdes. Er ist mehrfach zusammengefaltet, und es dauert, bis Antonio ihn aufgeblättert hat. Er reicht ihn mir. Auf dem Papierchen stehen der Name und die Adresse von Pino Carbone, Antonios neuem Freund von der New Yorker Zollpolizei.
«Pino hatter schon gesagte, wenn wir ihn brauchen, er ist dafüruns.»
«Okay. Wir suchen ihn, deinen Mauro. Und wenn wir ihn gefunden haben, versuchen wir ihn zu sprechen. Und wenn wir ihn nicht finden, dann machen wir uns wenigstens eine schöne Woche in New York. Einverstanden? Hand drauf?»
Ich lege meine Hand auf den Tisch, Benno lässt seine kno-chige Hand auf meiner nieder, und Antonio patscht seine beringte Rechte obendrauf. Was soll’s, denke ich.
«Et kütt, wie et kütt», sagt Benno. Wer kann das schon bestreiten?
Nach dem Frühstück gehe ich auf mein Zimmer und rüste 159
mich für einen Stadtrundgang aus. Ich habe einen Reiseführer dabei. Auf dem Titel ist das World Trade Center abgebildet, deswegen war das Buch reduziert. Hat nur die Hälfte gekostet.
Ich stecke meine Kreditkarten ein, Zigaretten, Feuer und meinen Notizblock mit Stift. Unsere Suche wird an der Rezeption beginnen. Mit einem Blick ins Telefonbuch.
Dort finde ich 194 Contis, und ich sehe nur in Manhattan nach. Wer weiß, wie viele es davon noch in der Bronx, in Queens, in Brooklyn und auf Staten Island gibt. Hunderte, womöglich Tausende. So kommen wir nicht weiter. Wir müssen jemanden finden, der Mauro kennt. Dieser jemand heißt überall auf der Welt gleich: Internet. Aber Antonio ist dagegen.
«Internet ist nickte gut.»
«Wieso? Wenn wir herausfinden wollen, wo dein Mauro steckt, dann sollten wir dort anfangen zu suchen.»
«Na, magi nickte.»
«Warum?» Was ist jetzt schon wieder los?
«Isteunsportelich.»
«Unsportlich? Das ist effizient.»
Darauf sieht er mich an, als wolle er mich aus seiner Familie verstoßen. Was kann er dagegen haben, wenn wir den Namen Mauro Conti, womöglich mit dem Zusatz «Architect», in eine Suchmaschine eingeben und uns von ihr direkt in sein Büro führen lassen? Was ist dagegen einzuwenden? Ich schlage vor, in ein Internet-Café zu gehen und die Sache schnellstens hinter uns zu bringen.
Aber Antonio ist dagegen. Kategorisch.
«Wir finde der Mann auch so, glaube mir.»
Da entscheide ich, mein Engagement zu beenden. Wenn er in einer Stadt mit acht Komma eins Millionen Einwohnern einen davon finden will, ohne sich auch nur im Geringsten 160
darum zu bemühen, dann soll er das machen. Mein Schwiegervater ist ja schließlich erwachsen.
Expeditionsleiter Marcipane klatscht in die Hände, wir gehen auf die Drehtür des Hotels zu, treten hinein, und
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