Jan Weiler Antonio im Wunderland
keine geschützten Tiere einführen. Und Zähne von geschützten Tieren auch nicht.» Und von ausgestorbenen Tieren sowieso nicht. Ist mir schon klar, Meister, denke ich.
«Ich würde sagen, das ist ein vergammelter alter Bolzen.
Vielleicht von der Brooklyn Bridge. »
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«Da bin ich nicht so sicher.»
«Es ist nichts, was ich absichtlich mitgenommen hätte oder was irgendeinen Wert darstellen würde. Wirklich, ich habe keinen Schimmer, was das sein soll.»
Der Beamte macht einen unentschlossenen Eindruck. Er legt den Zahn auf den Tisch. Ich nehme ihn, gehe zu einem Abfallbehälter und halte ihn hoch.
«Sehen Sie, mir liegt nichts daran, ich will es gar nicht einführen. Schmeißen wir es weg. So.» Dann lasse ich den Zahn des Stegosaurus aus dem New Yorker Naturkundemuseum in einen Mülleimer im Düsseldorfer Flughafen fallen. Der Beamte lässt mich meine Sachen selber zusammenpacken. Ich beeile mich, und meine Reise ist zu Ende, als die Tür sich öffnet und ich meine Sara sehe.
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FÜNFZEHN
Ich schlage die Augen auf und liege neben meiner Frau in ihrem alten Kinderzimmer. Sie schläft noch. Wie klein es hier ist. Winzig klein. Es ist ein Gefühl, als lebte man als Plastik-mensch auf einer Modelleisenbahn, sein Leben lang dazu verdammt, so zu tun, als wartete man auf den Bus oder ginge zum Bäcker. Ich stehe auf und sehe aus dem Gaubenfenster auf kleine nasse Reihenhausgärtchen mit Teichen und Laub-haufen und Gartenmöbeln, die unter Plastikplanen auf den nächsten Sommer warten. Keine Polizeisirene zu hören, wahrscheinlich schon seit Jahren. Ich gehe ins Badezimmer, das sehr danach riecht, als sei mein Schwiegervater bereits aufge-standen. Die Mischung aus Mundwasser, Deo und vor allem sehr viel Eau D’Antonio erhebt in meiner Nase ihr grässliches Haupt. Ich sehe mich im Spiegel an und rieche an meinem T-Shirt. Es hat noch den eigentümlichen Flugzeuggeruch, dieses transitorisch-elektrisch aufgeladene Klimaanlagenaro-ma. Als ich zum letzten Mal in einen Spiegel geschaut habe, war ich noch im Flugzeug und putzte mir gerade die Zähne, nicht aus Reinlichkeit, sondern weil es für Gäste der Business Class Zahnbürsten und Zahnpasta gab. Ich wollte jeden Moment dieses Fluges auskosten.
Gestern ging ich früh zu Bett, die Zeitverschiebung zwang mich dazu. Nun bin ich einigermaßen verwirrt. Keine Ahnung, wie viel Uhr es ist. Ich schiebe die Gardinen zur Seite und sehe, wie um mich zu vergewissern, dass es Tag ist, in den Garagenhof, wo riesige Pfützen daraufhindeuten, dass 247
das Pflaster erneuert werden müsste. In dreißig Jahren ist es da und dort abgesunken oder angehoben worden, wohl von den vielen Baumwurzeln, die sich aus den Gärten der Nachbarschaft wie Tentakel unter dem Viertel erstrecken. Der Landschaftsskulpteur Mauro Conti hätte hier eine Menge zu tun.
Unser Empfangskomitee am Flughafen war in zwei Autos gekommen. Jürgen hatte sich extra eines geliehen. Wir fuhren im Konvoi zunächst zu Benno. Er wohnt in einem winzigen weißen Haus mit einem kleinen Garten, in dem ein Hühner-stall steht. Er holte sein Gepäck mit unverschämter Leichtig-keit aus dem Kofferraum und machte eine knappe Verbeu-gung. Ich ließ die Scheibe herunter.
«Gehst du heute noch zu deiner Mutter?»
«Isch weiß nit. Vielleicht.»
«Na, du kannst sie ja auch genauso gut morgen abholen.»
«Sischer. Oder jar nit.»
Damit drehte er sich um, schloss die Tür des Häuschens auf und verschwand darin, ohne sich zu verabschieden. Wir warteten noch kurz, ob er noch einmal herauskam, aber es passierte nichts, bis mit einem Mal aus allen Fenstern des kleinen Häuschens kleine Lämpchen leuchteten.
«Was ist denn das?», fragte Sara mehr verwundert als neugierig.
«Das sind Bennos Rauchverzehrer», sagte ich und genoss ihr Staunen.
Eigentlich war gestern noch ein langes Abendessen vorge-sehen, Lorella und Jürgen hatten es sich nicht nehmen lassen, Grünkernbratlinge und Sojasprossensalat anzurichten. Ursula machte beim Anblick dieses frugalen Albtraums einen leicht verhärmten Eindruck. Die vergangene Woche muss furchtbar gewesen sein. Jürgen öffnete aus Anlass unserer 248
Rückkehr sogar einen seiner allerletzten Weine, einen 96er Château Pichon-Lalande, den Antonio brüsk verschmähte, weil die Franzosen die Kunst des Weinanbaus von den Italienern gestohlen hätten. Er trank lieber Altbier.
«Jetzt ist noch eine Flasche übrig», sagte Jürgen, die Farbe des Weines prüfend. «Ein Petrus. Der ist nach
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