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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Ausblick von dort ansehen?« Ich folgte ihr über eine sehr enge Treppe zu den Bodenkammern hinauf, und von dort über eine Leiter und durch eine Luke auf das Dach des Herrenhauses. Ich befand mich jetzt auf gleicher Höhe mit der Krähenkolonie und konnte einen Blick in die Nester werfen. Als ich mich über die Zinnen lehnte und hinunterblickte, sah ich den Park und die Gärten wie eine Landkarte vor mir liegen: Der helle, wie Samt aussehende Rasen, der sich dicht um das graue Fundament des Hauses zog; die Felder und Wiesen, auf denen hier und da große Haufen von starkem Bauholz lagen; der ernste, düstere Wald, durch welchen sich ein Fußweg zog, dessen Moos grüner war als das Laub der Bäume; die Kirche an der Parkpforte; die Landstraße; die Hügel, welche majestätisch und ruhig in das klare Sonnenlicht des Herbsttages hineinragten; der weite, tiefblaue, mit leichten Federwölkchen besäte Himmelsbogen – das ganze vor mir liegende Bild zeigte nichts besonders Herausragendes, aber es war lieblich und gefällig. Als ich mein Auge abwandte und wieder durch die Luke hinabstieg, konnte ich kaum meinen Weg über die Leiter hinunterfinden. Nach dem blauen Himmel, zu dem ich emporgeblickt hatte, erschien mir die Bodenkammer finster wie ein Grab, verglichen mit jenem sonnigen Bild des Parks, der Weiden und grünen Hügel, das ich soeben noch mit Wonne betrachtet hatte und dessen Mittelpunkt das Herrenhaus war.
    Mrs. Fairfax blieb einen Augenblick zurück, um die Lukentür zu schließen; ich tastete mich an den Ausgang derBodentür und begann dann, die enge Bodentreppe hinunterzusteigen. In dem langen Korridor, welcher sich anschloss und die Vorder- und Hinterzimmer der dritten Etage trennte, hielt ich inne. Schmal, lang und dunkel, mit einem einzigen kleinen Fenster am äußersten Ende, sah der Gang mit seinen beiden Reihen kleiner, niedriger, schwarzer Türen aus wie ein Korridor in Ritter Blaubarts Schloss.
    Als ich leise weiterging, schlug ein lautes Lachen an mein Ohr – das letzte Geräusch, welches ich in diesen Regionen erwartet haben würde! Es war ein seltsames Lachen, sehr deutlich, aber förmlich und freudlos. Ich stand still. Der Ton verhallte, doch nur für einen Augenblick, dann begann das Lachen von Neuem. Diesmal war es lauter als zuvor, wo es, wenn auch deutlich, so doch nur leise gewesen war. Es endete mit einem lauten Schall, welcher in jedem der einsamen Zimmer ein Echo zu wecken schien, obwohl es ja nur aus einer einzigen Kammer kam. Ich hätte sogar die Tür bezeichnen können, aus der die Töne drangen.
    »Mrs. Fairfax!«, rief ich, denn jetzt hörte ich sie die große Treppe herabkommen. »Haben Sie das laute Lachen gehört? Woher kommt das, wer war das?«
    »Wahrscheinlich eines der Dienstmädchen«, entgegnete sie, »vielleicht Grace Poole.«
    »Sie haben es aber auch gehört, oder?«, fragte ich wieder.
    »Ja, ganz deutlich. Ich höre sie oft, sie näht in einem dieser Zimmer. Zuweilen ist Leah bei ihr; sie machen oft großen Lärm miteinander.«
    Wiederum ertönte das leise, eintönige, schaurige Lachen, es endete mit einem seltsamen Gemurmel.
    »Grace!«, rief Mrs. Fairfax.
    Ich erwartete wirklich nicht, dass irgendeine Grace auf diesen Ruf antworten würde, denn das Lachen klang so tragisch und so unnatürlich, wie ich noch niemals eines vernommen hatte. Und wenn es nicht heller Mittag gewesenwäre und mich dies befremdliche Vorkommnis zu einer anderen Tageszeit betroffen hätte, oder wenn etwa noch ein gespenstischer Umstand die seltsamen Laute begleitet haben würde, so hätte ich sicher eine abergläubische Furcht empfunden. Der Vorfall zeigte mir indessen, dass es närrisch gewesen war, auch nur zu erschrecken:
    Die Tür neben mir öffnete sich, und eine Dienerin trat heraus. Es war eine Frau zwischen dreißig und vierzig, eine untersetzte, knochige Gestalt mit rotem Haar und einem harten, hässlichen Gesicht – eine weniger romantische oder geisterhafte Erscheinung ließ sich kaum denken.
    »Zu viel Lärm, Grace«, sagte Mrs. Fairfax, »vergiss deine Weisungen nicht!« Ohne ein Wort zu sagen, machte Grace einen Knicks und ging wieder ins Zimmer.
    »Wir haben sie hier, um zu nähen und Leah bei ihrer Hausarbeit zu helfen«, fuhr die Witwe fort. »In mancher Hinsicht ist sie nicht ohne Fehler, aber sie genügt uns. – Doch ehe ich das vergesse, wie waren Sie heute Morgen denn mit Ihrer Schülerin zufrieden?«
    So kam das Gespräch auf Adèle, und wir fuhren fort, über sie zu

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