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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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es, mein inneres Ohr auf eine Geschichte hören zu lassen,die niemals endete, eine Geschichte, welche meine Phantasie schuf und fortwährend wiederholte, eine Geschichte, in welcher all das Leben, das Feuer, die Empfindungen pulsierten, nach denen ich mich sehnte und die mein wirkliches Dasein mir nicht boten.
    Es ist sinnlos zu sagen, dass der Mensch zufrieden sein sollte, wenn er nur Ruhe hat – er muss auch eine Tätigkeit haben, und er wird sie sich schaffen, wenn er sie nicht findet. Millionen sind zu einem stilleren Los verdammt als ich, und Millionen rebellieren still gegen ihr Los. Niemand weiß, wie viel Empörung – außer den politischen Revolten – in den Menschenmassen gärt, welche die Erde bevölkern. Es herrscht die Ansicht, dass Frauen eher ruhige Wesen sind, aber Frauen empfinden geradeso wie Männer. Auch sie brauchen – genau wie ihre Brüder – ein Tätigkeitsfeld für ihre Fähigkeiten; sie leiden unter zu schweren Fesseln und unter vollständiger Stagnation gerade so wie Männer es tun, und es ist engstirnig, wenn die begünstigtere Hälfte der Menschheit sagt, dass die Frauen sich darauf beschränken sollten, Pudding zu kochen und Strümpfe zu stopfen, Klavier zu spielen und Tabaksbeutel zu sticken. Es ist gedankenlos, die Frauen zu verdammen oder über sie zu lachen, wenn sie versuchen, mehr zu tun und mehr zu lernen als das, was die alten Sitten für ihr Geschlecht als gerade ausreichend erachten.
    Wenn ich so allein war, hörte ich gar oft Grace Pooles Lachen, dasselbe Lachen, dasselbe leise, langsame »Hahaha!«, das mich beim ersten Mal so seltsam erschüttert hatte. Ich hörte auch ihr exzentrisches Gemurmel, das noch seltsamer war als ihr Lachen. Es gab Tage, an denen sie sich ganz still verhielt, aber wiederum auch andere, wo mir die Laute, welche sie von sich gab, ganz unerklärlich schienen. Zuweilen sah ich sie, dann pflegte sie, mit einem Teller oder einer Schüssel oder einer Schale aus ihrem Zimmer zu kommen, in die Küche hinunterzugehen und gewöhnlich – verzeih mir,romantischer Leser, wenn ich die Wahrheit sage – mit einem Krug voll Porter zurückzukommen. Ihre Erscheinung dämpfte stets die Neugierde, welche ihre stimmlichen Seltsamkeiten erregt hatten; sie war ein starkknochiges Weib mit harten Zügen, welches in keiner Weise Interesse zu wecken vermochte. Ich machte einige Versuche, sie in ein Gespräch zu verwickeln, aber sie schien eine wortkarge Person; eine einsilbige Antwort machte gewöhnlich all meinen Bemühungen dieser Art ein Ende.
    Die andern Mitglieder des Haushalts, wie John und seine Frau, Leah das Hausmädchen und Sophie, das französische Kindermädchen, waren sehr anständige Leute, aber in keiner Weise erhoben sie sich über das Gewöhnliche. Mit Sophie pflegte ich französisch zu sprechen, und zuweilen richtete ich auch Fragen über ihr Vaterland an sie. Sie besaß aber nicht die Gabe, erzählen oder beschreiben zu können und gab meistens so verwirrte und nichtssagende Antworten, dass sie meine Fragelust eher dämpften als ermutigten.
    Oktober, November und Dezember gingen dahin. Eines Nachmittags im Januar hatte Mrs. Fairfax um einen Ferientag für Adèle gebeten, weil diese sich eine Erkältung zugezogen hatte; und da Adèle diese Bitte mit einer Eindringlichkeit unterstützte, welche mich daran erinnerten, wie kostbar solch ein gelegentlicher Ferientag mir selbst in meiner Kindheit gewesen war, gewährte ich denselben. Es schien mir geraten, in diesem Punkt Nachsicht zu zeigen. Obgleich sehr kalt, war es ein schöner, windstiller Tag. Den ganzen Morgen hatte ich ruhig sitzend in der Bibliothek zugebracht, jetzt war ich dessen müde. Mrs. Fairfax hatte gerade einen Brief beendet, welcher darauf wartete, zur Post getragen zu werden, und so nahm ich Hut und Mantel und erbot mich, ihn auf das Postamt nach Hay zu bringen. Der Weg, welcher ungefähr zwei Meilen betrug, sollte ein angenehmer Nachmittagsspaziergang für mich sein. Nachdem ich Adèle gemütlich in ihren kleinen Lehnstuhl vor Mrs.Fairfax’ Kaminfeuer gesetzt und ihr die schönste Wachspuppe, welche ich gewöhnlich in Silberpapier gewickelt in einer Schublade verwahrt hielt, zum Spielen gegeben hatte – und noch ein Geschichtenbuch dazu, der Abwechselung wegen –, machte ich mich auf den Weg. Adèles »Revenez bientôt ma bonne amie, ma chère Mademoiselle Jeannette« beantwortete ich zuvor noch mit einem herzlichen Kuss.
    Der Boden war hart gefroren, die Luft war still, meine

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