Janusliebe
Janusliebe
Ednor Mier
1. Auflage April
Titelbild: Magic Zyks
www.magiczyks.de
© by Ednor Mier
http://www.ednor-mier.de/
Lektorat: Metalexis
ISBN: 978-3-86608-569-
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere
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licher, schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet.
Ubooks-Verlag
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86420 Diedorf
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Sie vermied es, während sie sich abfrottierte, in die Spiegelkacheln zu bli-
cken. Das Bild, das diese ihr zeigten, war sowieso immer dasselbe magere, de-
primierende Zerrbild einer Frau ohne die runden, warmen Attribute, die wahre
Weiblichkeit ausmachen. Dieses Zerrbild würde ihr nur die Laune verderben und
das dürftige Selbstvertrauen erschüttern, das sie sich im Laufe der Jahre mühsam
zusammengebastelt hatte und das sie jeden Tag aufs Neue aufpäppeln musste.
Und sie brauchte Selbstbewusstsein.
Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen.
Dringend, denn eine Frau wie sie musste viele Tiefschläge einstecken. Früher
hatten die Wut darüber und der Hass auf die Menschen, vor allem auf die Männer,
sie beinahe zerfressen. Aber jetzt gab es IHN in ihrem Leben und seine Liebe ent-
schädigte sie für alles, was sie vor ihm hatte erdulden müssen. Mit ihm an ihrer
Seite würde sie alles ertragen. Nichts konnte ihr etwas anhaben und es gab nie-
manden mehr, der sie verletzen konnte.
Jetzt blickte sie doch in die Kacheln. Ein Lächeln lag auf ihren dünnen, unge-
schminkten Lippen.
«Siehst du, Mutter, jetzt habe ich doch einen Mann gefunden», sagte sie zu
dem Bild der blassen, schmalgesichtigen Frau, die ihr aus den Spiegelkacheln ent-
gegensah. «Und nicht nur einen einfachen Mann, nein, einen richtigen Prinzen
habe ich gefunden. Meinen Prinzen. Da staunst du, nicht wahr?»
Ihr Lächeln wurde zu einem breiten, höhnischen Grinsen, dann wandte sie
sich ab und griff nach der Cremedose.
Sie mochte die Kacheln überhaupt nicht. Damals, als sie hier eingezogen war,
hatte sie sie abschlagen wollen. Der tägliche Anblick ihres mageren Körpers war
jeden Tag eine neue Demütigung für sie, die sie an ihr Versagen als Frau erinner-
te. Aber irgendwie hatte sie es nie geschafft, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Dann war er in ihr Leben getreten, und als sie ihn gebeten hatte, die Kacheln abzu-
hauen, hatte er ihr ein striktes «Nein» entgegengesetzt. «Die Kacheln bleiben.» Er
hatte sie am Nacken gepackt, ins Badezimmer geschleift und sie gezwungen, sich
vor der Spiegelwand aufzustellen.
«Das bist du», hatte er gesagt und dabei war der Griff in ihrem Nacken noch
fester geworden. Sie hatte jeden einzelnen Finger seiner Hand gespürt. «Du bist die
Frau, die ich liebe. Ich will, dass auch du sie liebst.» Also hatte sie die Kacheln behal-
ten und versuchte seitdem, sich mit seinen Augen zu sehen. Aber es gelang ihr bis
heute nicht, die Frau darin zu akzeptieren. Immer wenn sie in diese Kacheln schau-
te, sah sie nur dieselbe dürre, hässliche Frau, mit der sie am liebsten nichts zu tun
gehabt hätte. Er hingegen liebte es, sich selbst beim Sex mit ihr zuzusehen. Es törnte
ihn an, machte ihn geil, mehr als es ihre Hände, Zunge oder P-U-S-S-Y vermochten.
Ach, verdammt! Sie biss sich auf die Lippen. Obwohl er ihr immer wieder sag-
te, dass er alles an ihr schön fand, schaffte sie es nicht, ihr Geschlecht anzunehmen
oder gar darüber zu sprechen. Ja, selbst wenn sie nur daran dachte, bekam sie so-
fort ein furchtbar schlechtes Gewissen.
Das kam daher, weil zu Hause alles, was mit Sex zu tun hatte, mit einem dicken
Tabu belegt gewesen war. Man sprach nicht darüber, und wenn man daran dachte
oder gar sich «da unten» berührte, dann war man schmutzig, verdorben, sündhaft
– hatte quasi bereits einen Zipfel seiner Seele an den Teufel verhökert.
Sie erinnerte sich noch daran, wie sie das erste Mal ihre Periode bekommen
hatte. Dank ihrer besten und einzigen Freundin Wally war sie nicht in Panik gera-
ten. Wally hatte sie damals aufgeklärt und sie auf dieses Ereignis vorbereitet. Die
Mutter hingegen hatte sie traurig angesehen und geseufzt:
«Jetzt musst du dich noch mehr vor Männern in Acht nehmen.» Es hatte ge-
klungen, als habe jemand in der allernächsten Umgebung eine schwere, anste-
ckende Krankheit und würde die kommende Nacht nicht mehr überleben. «Wenn
du nicht so enden willst wie ich, dann lässt du am besten keinen an dich ran.» Und
dann hatte sie ihr ein Päckchen
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