Jeans und große Klappe
Rasenampfer und Löwenzahn handelt.«
»Zunächst müssen wir sowieso erst einmal den Rasen gründlich durchharken, und anschließend muß Dünger drauf«, entschied Rolf, dessen Arbeitseifer sich jetzt nur noch im Organisatorischen erschöpfte. Die Kinder nahmen also jeden Morgen ihren Tagesbefehl entgegen, erklärten, alles verstanden zu haben, und vermieden es dann sorgfältig, auch nur in die Nähe des Gartens zu kommen.
»Soll er doch mal selber was machen«, maulte Sascha, »so'n bißchen Dünger streuen ist ja keine Arbeit, aber im Sommer können wir das dann ausbaden. Oder glaubst du, Papi mäht selber?«
»Na klar. Wir müssen ihm bloß einreden, daß er langsam zu alt dafür ist!«
Ich weiß nicht mehr, welche Hilfskraft zur Zeit der Frühjahrsbestellung gerade ihre Gastspielrolle bei uns gab, jedenfalls litt ich vorübergehend mal nicht an chronischem Zeitmangel und fühlte mich deshalb verpflichtet, meinem lustlosen Nachwuchs mit gutem Beispiel voranzugehen. Gemeinsam bearbeiteten wir den Rasen, sammelten welkes Laub, Kaugummipapier, eine Blechgabel und zwei verwitterte Markknochen auf, entfernten Moospolster und meterlange Ranken einer mir noch nicht bekannten Unkrautart, entdeckten zwei Erdbeerbeete, deren Existenz uns bisher entgangen war, und gruben auch noch die Blumenbeete um, auf denen wohl doch nichts von allein wachsen würde.
Rolf gab seine durch keinerlei Kenntnisse getrübten Ansichten über das Beschneiden von Obstbäumen zum besten und setzte sie auch gleich in die Tat um, indem er den einzigen noch tragenden Ast des Mirabellenbaums absägte. Dann besorgte er Samen. Natürlich nur für Blumen. Und für ein paar Küchenkräuter. Und eine Handvoll Steckzwiebeln, weil die so preiswert gewesen waren. Und zehn Tomatenpflanzen, weil die ja gar keine Arbeit machen. Und mehrere Tüten Radieschensamen, weil man dann immer etwas Frisches zum Abendessen hat. Und … und … und …
Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als wir in Berlin unseren Schrebergarten beackerten und den Samen einfach in die Erde steckten. Weiter nichts. Heute steht auf dem Beutel: ›Pflanzen Sie zwischen April und Mai (gemäßigtes Klima) in einer Tiefe von anderthalbfacher Samenstärke in gut durchwässerte lockere Erde und verziehen Sie nach zehn Tagen auf zehn Zentimeter.‹
Und dann ist nach zehn Tagen überhaupt nichts zum Verziehen da, weil man mal wieder mit unangebrachtem Optimismus geglaubt hat, daß alles, was man in die Erde steckt, auch wieder herauskommt.
»Muß man die Samenkörner eigentlich paarweise einpflanzen, wenn man Blumen haben will?« erkundigte sich Sascha, während er die Gebrauchsanweisung für die Aussaat von Calendula officinalis studierte.
Schon nach einigen Wochen konnten wir die ersten Früchte unserer Arbeit bewundern: Ringelblumen sprossen in trauter Zweisamkeit mit Freesien, die wir überhaupt nicht gepflanzt hatten; wo Tausendschönchen wachsen sollten, kamen Gladiolen, und später entdeckten wir zwischen den Tomaten lauter Dahlien.
»Da werden wohl noch überall die Zwiebeln im Boden gesteckt haben«, erläuterte Sven dieses offensichtliche Naturwunder, während Frau Billinger mich belehrte, daß man Blumen und Kräuter zweckmäßigerweise getrennt anpflanze und daß sie mir im nächsten Jahre gern mit Rat und Tat zur Seite stehen würde.
Inzwischen hatte ich die Erfahrung gemacht, daß es ein Kinderspiel ist, mehr Radieschen zu ernten, als die Familie jemals essen kann. Unser Rasen entfaltete sich zu voller Blüte. Die künstliche Ernährung hatte ihm offenbar gut getan, denn jeder Kuh hätte das Herz im Leibe gelacht beim Anblick der vielen Löwenzahnblüten und des weithin leuchtenden Klees. Dazwischen fanden sich aber auch ein paar Grashalme, die allerdings nach der Behandlung mit einem Unkrautvertilgungsmittel eingingen. Jetzt wuchern sie nur noch auf den Wegen zwischen den Steinen und ganz besonders üppig in den Fugen der Terrassenplatten.
Wir besaßen mittlerweile diverse Bücher, die sich mit Gartenpflege im allgemeinen und Rasenpflege im besonderen befaßten, aber in keinem fand ich etwas über die Behandlung von Klee und Löwenzahn. Ganz besonders vermißte ich genauere Anweisungen darüber, wie oft man derartige Kulturen mähen muß. Also hielt ich mich an das Kapitel Rasenpflege, in dem es hieß: ›Rasenflächen sollten in der Regel dann gemäht werden, wenn das Gras die entsprechende Höhe erreicht hat. Der Zeitpunkt für das Mähen richtet sich nach dem
Weitere Kostenlose Bücher