Jeans und große Klappe
man ihm noch unterschiebt, jedenfalls beschloß der noch sehr enthusiastische Vater, die erforderlichen Vitamine für seinen Nachwuchs selbst anzubauen.
Die notwendigen Vorbereitungen blieben auf das Wochenende beschränkt und zogen sich über einen ganzen Monat hin. Wenn man ausschließlich mit Umgraben beschäftigt ist, kann man natürlich nicht den Wasserhahn reparieren, der schon seit Tagen tropfte und vermutlich nur einen kleinen Dichtungsring brauchte. Nach einer Woche war aus dem Tropfen ein stetiges Rinnen geworden, der Klempner mußte her, kam auch schon nach zwei Tagen und wechselte gleich die gesamte Mischbatterie aus, weil es für das alte Modell angeblich keine Ersatzteile mehr gab. Kostenpunkt: 48 DM inklusive Arbeitszeit.
Dann fiel dreimal das traditionelle Samstagsbad für den Wagen aus, er kam in die Schnellwäsche, wurde von Hand poliert und kostete jedesmal zwölf Mark. Dank seiner Vollbeschäftigung war es meinem Agronomen auch nicht möglich, sich von seinem Freund Felix das reich bebilderte Standardwerk für Hobbygärtner abzuholen, weshalb er sich die einschlägigen Kapitel telefonisch durchgeben ließ. Die genauen Kosten für dieses Dauergespräch ließen sich später nicht exakt ermitteln. Schließlich stellte mein Gartenfreund auch noch fest, daß unsere Harke zwar zum Zusammenrechen des Rasens geeignet war, nicht dagegen zum Einplanieren der Gemüsebeete. Die neue Harke kostete 21 Mark.
Aber wenigstens waren nunmehr die Vorarbeiten abgeschlossen, und die paar Mark für Pflanzen und Samen fielen nun wirklich nicht mehr ins Gewicht.
Dann ging es weiter. Das Gemüse mußte bewässert werden (die Wasserrechnung für das zweite und dritte Quartal jenes Sommers lag etwa dreißig Prozent über dem Normalverbrauch), gedüngt, gegen Ungeziefer immunisiert und teilweise mit Haltepfählen ausgerüstet werden. Das Gartenbuch empfahl ein Spalier aus Holzleisten, Rolf baute eins aus Bambusstäben.
Und dann wurden alle vierzig Salatköpfe auf einmal reif, die 27 Pfund Erbsen mußten zur gleichen Zeit geerntet werden wie die 41 Pfund Bohnen, die acht Meter Karotten konnten noch etwas länger im Boden bleiben, aber die Kohlrabi mußten raus und die Rettiche ebenfalls. Den Weißkohl fraßen glücklicherweise die Raupen.
Meine hauswirtschaftlichen Fähigkeiten hatten damals noch nicht das Stadium des Einweckens erreicht, und so mußte ich den größten Teil unserer landwirtschaftlichen Produkte verschenken. Später errechnete ich, daß uns eine Kohlrabiknolle ungefähr 2,73 DM gekostet hatte und ein Pfund Mohrrüben knapp vier Mark.
So viel zum Thema Sparsamkeit in Verbindung mit Gemüsezucht.
Nun hatten wir also wieder einen Garten, größer als alle früheren, überwiegend mit Gras und Klee bedeckt, dazu ein paar verwilderte Blumenbeete, von denen wir nicht wußten, ob da von allein etwas sprießen würde oder nicht. Als wir ein paar Narzissen entdeckten – übrigens die einzigen Blumen mit einem Platz für die Nase – und ein Sortiment verschiedenartiger Stiefmütterchen, die mich mit ihren übellaunigen kleinen Gesichtern immer an meine frühere Handarbeitslehrerin erinnerten, fand Rolf es an der Zeit, die gesamte Wildnis hinter unserem Haus ein bißchen zu kultivieren. Der Vorgarten sah zum Glück ganz passabel aus, lediglich mit der verwilderten Ecke jenseits des Zufahrtsweges mußte etwas geschehen. Der von Efeu überwucherte Hügel erinnerte mich unziemlich an ein Heldengrab.
Im vergangenen Jahr waren wir wegen des Umzugs zu keinerlei Verschönerungsarbeiten mehr gekommen Die Nachwehen zogen sich wochenlang hin, und als wir sie endlich überstanden hatten, waren wir alle zu erschöpft und wohl auch zu faul. Dann fuhren wir in Urlaub, und dann war es bald für die Arbeiten zu kalt, für die es im Sommer zu heiß gewesen war. So hatten wir das Gartenanbauprojekt bereitwillig bis zum nächsten Frühjahr vertagt. Die Natur hat zweifellos Humor gezeigt, als sie Hausputz, Gartenarbeit und Frühjahrsmüdigkeit in die gleiche Zeit legte.
Unser jugendlicher Amateurbotaniker hatte schon vor einigen Tagen einen Erkundungsgang durch den Garten unternommen und uns davon unterrichtet, daß wir auf einen gesunden Bestand von Urtica cioica, Calystegia sepium, Rumex obtusifolius und Taraxacum officinale zurückgreifen könnten.
»Na also, das ist doch schon was«, freute sich Rolf.
»Und ob!« bekräftigte Sven. »Vor allem, wenn man berücksichtigt, daß es sich hierbei um Brennesseln, Heckenwinde,
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