Jeans und große Klappe
anderes Krankenhaus mit einem betagteren Chefarzt zu suchen. Irgendwo in Niedersachsen hat er dann auch eins gefunden.
In das leerstehende Haus zogen Piekarskis ein. Stefanie kannte sie bereits oder doch wenigstens die beiden jüngsten Familienmitglieder.
»Mit der Belinda bin ich zusammen eingeschult worden, aber dann ist sie in der dritten Klasse hängengeblieben. Ihre Schwester ist nicht ganz so dämlich, trotzdem sind die beiden überall verschrien.«
»Warum denn?«
»Weiß ich nicht, hat mich auch nicht interessiert.«
Auf Vorurteile soll man nichts geben. Am Tage nach Piekarskis Einzug schickte ich einen Blumentopf hinüber. Abends erschien Frau Piekarski, um sich wortreich zu bedanken. Beim Abschied fragte sie mich: »Könnten Sie mir wohl etwas Handwerkszeug leihen? Unsere eigenen Sachen haben wir noch nicht ausgepackt, und ich weiß im Moment auch gar nicht, in welcher Kiste sie eigentlich sind.«
Da ich mich noch recht gut an unsere zahlreichen Umzüge erinnern konnte und daran, wie verzweifelt ich oft nach Hammer und Nägeln gesucht hatte, beauftragte ich Sven, die erforderliche Grundausstattung zusammenzustellen und notfalls fachmännische Hilfe zu leisten.
»Es ist nicht leicht, wenn man alles allein machen muß«, hatte Frau Piekarski gejammert, »wo mein Mann nicht mal einen einzigen Tag Urlaub bekommen hat. Aber er ist in seiner Firma eben unentbehrlich.«
Nach drei Stunden kam Sven zurück. »Die scheint mich für so eine Art Arbeitssklaven zu halten. Erst sollte ich beim Gardinenaufhängen helfen, dann sollte ich das Geschirr auspacken und zum Schluß den Kleiderschrank aufstellen. Dabei passen die Bretter überhaupt nicht zusammen, die linke Tür fehlt, und das eine Bein ist auch weg. Da steht jetzt ein Ziegelstein drunter. Die müssen ihre Möbel vom Sperrmüll haben!«
In den folgenden Tagen klingelte es alle halbe Stunde an der Haustür, und jedesmal stand ein Piekarski davor. Mal war es Belinda, die für Mutti eine Kopfschmerztablette holen wollte oder zwei Briefumschläge, dann kam Diana und lieh sich Stefanies Fahrrad, weil doch ihr eigenes kaputt war und sie noch schnell Brot holen mußte; dann wieder brauchte Frau Piekarski das Bügeleisen, denn ihres war gerade durchgebrannt. Diana fragte, ob sie für zwanzig Minuten den Rasenmäher haben könnte, sie hätten nämlich noch keinen (haben sie heute noch nicht!), und Belinda bat um ein paar Löffel Kaffee. »Unser ist alle, und Mutti hat gerade Besuch gekriegt.«
Piekarskis brauchten die Zeitung und ein bißchen Blumenerde, sie holten Puddingpulver, Wäscheklammern und eine Häkelnadel, sie baten um Heftpflaster und Würfelzucker. Und was ich nicht hatte, besorgten sie auf ähnlich unproblematische Weise bei anderen Nachbarn. Frau Keks beklagte bereits den Verlust einer Heckenschere, die bei Piekarskis verschwunden war.
Sven suchte unsere Kombizange, fand sie nicht und erinnerte sich schließlich, daß er selbst sie zu Frau Piekarski gebracht hatte. »Vom Zurückgeben halten die wohl auch nichts«, knurrte er und machte sich auf den Weg. Schon nach einer Viertelstunde war er zurück.
»Erst haben die Mädchen im Schlafzimmer gesucht, dann im Garten und in der Garage, und zuletzt haben sie die Zange ganz woanders gefunden, aber wo, das errätst du nie!«
»Wahrscheinlich im Wohnzimmer.«
»Irrtum. Im Besteckkasten vom Küchenschrank!«
Ich nahm mir vor, eine intensivere Bekanntschaft mit unseren neuen Nachbarn tunlichst zu vermeiden, aber dazu war es offenbar schon zu spät. Belinda und Diana schlossen sich Stefanie an, die davon zwar nicht begeistert war, sich aber geschmeichelt fühlte. Auch Rolf hatte gegen den Umgang nichts einzuwenden.
»Von diesen idiotischen Namen einmal abgesehen, sind die Mädchen nett, höflich und nicht so entsetzlich maulfaul wie die anderen, die uns Steffi sonst immer ins Haus schleppt.«
Frau Piekarski hatte er allerdings noch nicht kennengelernt.
Deshalb hatte er auch kein Verständnis für meine Abneigung, zu diesem geplanten Umtrunk zu gehen. Frau Piekarski hatte uns gleich am ersten Tag zu einem ›Willkommensschluck‹ eingeladen, und ich hatte leichtsinnig zugesagt.
Nun war der bewußte Abend da, und Rolf drängte mich zur Eile. »Wir sind schon zehn Minuten zu spät, und absagen kannst du jetzt nicht mehr.«
Nach dem dritten Klingelzeichen wurde die Tür geöffnet. Heraus flitzte ein jaulendes Etwas, so eine Art Fox-Spitz-Pudel-Mops, und sprang kläffend an mir hoch. Es war einer jener
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