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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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später nie ein Wort über unseren Cafébesuch. Und zu künftigen gemeinsamen Ausgängen erschien er in einer ganz zivilen Aufmachung.
    Wenn man mit weiblichen Teenagern weggeht, braucht man sich wegen der Kleidung keine Sorgen zu machen. Sie sind von Natur aus eitel und wollen keineswegs negativ auffallen. Deshalb muß man aufpassen, daß man sie früh genug aus dem Bad vertreibt, bevor sie sich mit Nagellackflaschen, Wimperntusche und vier verschiedenen Lippenstiften dort verbarrikadieren. Ist einem das geglückt, dann muß man sich zwar eine Stunde lang Klagelieder anhören, weil man seine Tochter als lebenden Leichnam herumlaufen lasse, obwohl doch Lippenstifte schon zur Grundausstattung jeder Elfjährigen gehörten, aber eine trainierte Mutter hat sowieso allmählich Hornhaut auf den Ohren.
    In einem Punkt allerdings sind weibliche Teenager unerbittlich: Sie tragen keine Schulmappen mehr. Sie tragen überhaupt nichts, was auch nur im entferntesten an solch ein Utensil erinnern könnte. Statt dessen stopfen sie ihre Bücher in alte Einkaufsnetze, Plastiktüten vom Supermarkt, Turnbeutel, zerrissene Badetaschen – Löcher werden mit flatternden Kopftüchern zugestopft, ausgefranste Henkel mit Bindfaden repariert – und in auf passende Größe zurechtgeschnittene Jutesäcke. Stefanie transportiert ihre Hefte zur Zeit in einem dunkelroten Apfelsinennetz. Das Etikett ›Sonderangebot! 3 kg marokkanische Orangen nur 3,99 DM‹ hängt noch dran.
    Sven ist kein Teenager mehr. Sascha hat diese Phase beinahe überstanden, und mit Steffi kann ich manchmal auch schon ganz vernünftig reden. Aber die beiden nächsten Teenager stehen mir noch bevor.
    Deshalb für mich und für alle derzeitigen und kommenden Leidtragenden:
    Regel Nr. 12 und weitere:
    Wenn Ihnen trotz aller Toleranz, trotz aller Geduld und trotz allen Verständnisses doch mal der Kragen platzt und Sie Ihrem Abkömmling die mit Filzstift bemalten Jeans um die Ohren schlagen wollen, denken Sie immer daran: Teenager haben die besseren Nerven!

8
    Rolf verdient die Brötchen und das Heizöl für die Familie als Werbeberater. Er hat einen festen Kundenstamm und ist eifrig bestrebt, für seine Auftraggeber je nach Branche Hustensaft oder Schuhcreme an den Mann zu bringen. Hin und wieder wendet er sich aber von der Theorie ab und der Praxis zu. Dann betätigt er sich als Gebrauchsgraphiker und versucht, seine Vorstellungen von zeitgemäßer Werbung selber zu Papier zu bringen.
    Diese gelegentlichen Abstecher in das Reich der Formen und Farben lassen mich immer bereuen, daß ich entgegen den Wünschen meines Großvaters keinen Beamten geheiratet habe, sondern einen ›Künstler‹, der dauernd Pinsel im Spülbecken schwimmen läßt, die abweichen müssen und klebrige Ränder hinterlassen. Da werden im Bad Aquarellkästen gereinigt – die Spuren ziehen sich bis zur Gardine hin – und Bleistiftskizzen ausradiert. Die Überreste werden vom Tisch gewischt, bleiben im Teppichboden hängen und widersetzen sich allen Versuchen, ihnen mit dem Staubsauger zu Leibe zu rücken. Patentleim, der nicht mal eine Briefmarke festklebt, sitzt unlösbar an Türen und auf Sessellehnen, und außerdem verschwinden so nach und nach sämtliche Puddingteller, weil man darauf so bequem die Farben mischen kann. Mitunter liegt auch mitten auf dem Wohnzimmerteppich ein Reißbrett, beschwert mit einigen Brockhaus-Bänden und zwei massiven Feldsteinen. Der frisch aufgezogene Papierbogen muß angepreßt und geglättet werden. Die Familie läuft Slalom!
    Das sind aber nur die äußeren Begleiterscheinungen.
    Viel schlimmer sind die Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn, wenn ersterer das fertige Werk dem sogenannten Putzfrauentest unterwirft, es also völlig unverbildeten und durch keinerlei Fachkenntnisse belasteten Laien präsentiert. Eine Putzfrau haben wir nicht mehr, also müssen wir die Stimme des Volkes übernehmen.
    Die Zwillinge, in ihrer Rolle als naive Betrachter hinlänglich trainiert, ziehen sich nach bewährter Methode aus der Affäre. »Das hast du aber prima gemacht, Papi, da möchte man am liebsten gleich reinbeißen!« kommentiert Nicki bereitwillig das fertige Werk. »Nußschokolade esse ich doch sowieso am liebsten.«
    »Ja, und das Silberpapier sieht so richtig schön silbern aus«, bestätigt Katja, um nun auch noch etwas Lobenswertes zu sagen. Steffi findet, daß die Verpackung viel kostbarer aussehe als der Inhalt, während Sven nur einen Seitenblick auf die

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